Der langfristige Wert von Silber
Was ist der grösste Unterschied zwischen Gold und Silber?
"Goldwert bei $3844", die neue Videopräsentation von Paul Tustain hat hier einen Ansturm an Anfragen und Kommentaren ausgelöst, schreibt Adrian Ash von BullionVault.
Die am häufigsten gestellte Frage war jedoch "Wie schätzen Sie Silber ein?" und das ist kalkuliert auf einer risikoangepassten Basis für den "wahren Wert" von Silber noch schwieriger zu beantworten.
Wie bereits mit Gold können Sie Ihre eigene Einschätzung des Silberpreises in Tustains "Goldwert-Kalkulationstabelle" errechnen, indem Sie ein anderes Inflations-Niveau und den gegenwärtigen Silberpreis von $40 pro Feinunze einsetzen. Wenn Sie Tustains Einschätzung für die verschiedenen Goldpreis-Szenarien auf Silber anwenden, so liegt der gegenwärtig "wahre Wert" von Silber bei fast $109 pro Feinunze - also auch hier, wie bei Gold, viel höher als der aktuelle Marktpreis.
Doch der Markt für Silber unterscheidet sich wesentlich vom Goldmarkt. Vor allem gibt es keinen allgemein akzeptierten Vergleichswert, wie zum Beispiel ein Herrenanzug im Wert von einer Feinunze Gold, gegen den man den Wert von Silber über die Zeit messen könnte.
Schauen Sie sich z.B. die langfristigen Einschätzungen des Forbes Magazins an, sie sind alle für Gold, nicht für Silber. Blickt man 2500 Jahre zurück, so schreibt Stephen Harmston vom World Gold Council 1998, dann findet man die gleichen langfristigen Vergleichswerte für den Goldpreis gegenüber dem Preis von einem Leib Brot, aber nicht für Silber. Dass es keinen Basiswert für Silber gibt, steht den Berechnungen auf Paul Tustains Kalkulationstabelle nicht im Weg. Doch es bringt die Methodologie durcheinander, denn es bezieht den wichtigen Faktor von "Über-" oder "Unterbewertung" bei dem Fehlen von Bargeld nicht mit ein.
Man könnte natürlich einen Basiswert für Silber angeben, indem man die Gold/Silber-Ratio anwendet und es auf den Wert eines Herrenanzugs bezieht. Doch dies würde:
a) auf eine allgemein akzeptierte Langzeit-Ratio vertrauen (was immer noch heftig debattiert wird)
b) den sich ändernden industriellen Gebrauch von Silber nicht miteinbeziehen (und somit seinen veränderbaren wirtschaftlichen Wert)
c) den Wert von Silber einfach zu einer Funktion von Gold degradieren
Eine andere Möglichkeit wäre, die Minenproduktion pro Unze zu verfolgen, denn bei gleichbleibenden Voraussetzungen sollten sich die Produktionskosten eines Rohstoffs in einer freien Marktwirtschaft langfristig auf seinen Preis niederschlagen.
Interessanterweise sieht die GFMS Beratungsgesellschaft die Gesamtkosten für eine Feinunze Gold inklusive Verarbeitungskosten bei über $800 pro Feinunze. Das ist nicht so weit entfernt von Tustains gegenwärtiger Berechnung des "Herrenanzugs". (Tom Anderson von PassantGardant, der über Google die Top 20 Preise für gute Herrenanzüge in den USA auf einen Durchschnitt bringt, errechnet einen Basiswert für Gold von $800-$850 pro Feinunze.). Silber jedoch ist typischerweise ein Nebenprodukt von anderer Mineralgewinnung, anstatt das primäre Ziel zu sein. Daher ist es nicht möglich, den aktuellen globalen "Durchschnitt" zu bewerten oder gar historische Minenproduktionskosten anzugeben, so wie es Tustain für Gold in 1980 rückwirkend errechnet hat.
Gold und Silber, beide Metalle wurden in der Geschichte schon immer als Geldmittel verwendet. Doch während Gold dazu neigte, die "Wertaufbewahrungs"-Funktion von Geld zu übernehmen, wurde Silber mehr als ein "Tauschmittel" genutzt. Während Indien zum Beispiel noch bis 1947 Silber Rupien prägte, hatte Grossbritannien den Gold-Standard schon lange aufgegeben. US-Silber-Zertifikate konnten bis 1968 gegen Dollar-Silbermünzen eingestauscht werden, 35 Jahre nachdem privates Goldeigentum abgeschafft worden war.
Da es Gold als Geldmittel überdauerte, war die Kaufkraft von Silbermünzen über die Zeit hinweg aufgrund geiziger Regierungen mehr verwendbar. So beinhaltete der Englische Pfund in 1600 kaum noch ein Drittel an Silber im Vergleich zu 300 Jahren zuvor, während der Silbergehalt der Italienischen Lira um fast 90% sank. Dagegen blieben Goldmünzen bemerkenswert stabil.
Ein anderer grosser Unterschied zu Gold ist der wechselnde industrielle Gebrauch von Silber. Rund 60% der jährlichen Nachfrage kommt gegenwärtig seitens der Industrie und ist nicht für private Vermögensaufbewahrung (Münzen, Barren, Schmuck und Ornamente), die mehr als 89% der Gold-Nachfrage ausmachen. Auch hat sich die Zusammensetzung der industriellen Silber-Nachfrage über die Zeit dramatisch verändert. So ist zum Beispiel in den letzten 10 Jahren die Nachfrage für Fotographie zusammengebrochen, während andere bestehende Verwendungen (wie zum Beispiel Solarbatterien) gestiegen sind und viele andere sich neu entwickelt haben (Krankenhaus-Bettwäsche, Deodorants, Holzschutzmittel).
Und was ist der unverblümteste Unterschied? Vielleicht ist es Warren Buffet. Der berühmte "Werte-Investor" sagte, er verstehe Gold nicht, denn es hätte "keine Verwendung", ganz ungeachtet seiner 5000jährigen Geschichte als Vermögen zum Aufbewahren. Jeder, der den Goldmarkt vom Mars aus betrachtet, würde "sich den Kopf kratzen", wenn er sieht, wie es "in Afrika ausgebraben" wird, nur um dann wieder in einem unterirdischen Tresor zu verschwinden, sagt Buffet.
Trotzdem hatte sein Berkshire Hathaway Fonds versucht, den Silbermarkt in den späten 1990er zu beherrschen, indem es in 2006 seine massive Position für einen ordentlichen Profit verkaufte. Während Buffett Gold also "nicht versteht", hat seine Graham-and-Dodd-Wertanlage Silber zu einem wirkungsvollen Instrument gemacht, denn er war der Meinung, dass die Einschätzung für die industrielle Nachfrage von Silber unterbewertet sei.
Gold-Analysten müssen nicht einschätzen, wie Technologie die Preise beeinflussen könnte. Sie jedoch (und Warren Buffet und die Hunt Brüder, die in den späten 1970ern durch ihren Versuch, den Silbermarkt aufzukaufen berühmt geworden sind), könnten geneigt sein, die künftige Verwendung von Silber als Geldmittel, Anlagewert und Industriebedarf einzuschätzen.