Was den Goldpreis 2016 treibt
Obwohl in diesem Jahr die Krisenstimmung überwog, konnte sich der Goldpreis nicht erholen und pendelt seitdem zwischen Hoffen und Bangen. Was für und was gegen einen steigenden Goldpreis im kommenden Jahr spricht, schreibt Andreas Toller von der WirtschaftsWoche.
An Gold als Geldanlage scheiden sich die Geister. Da gibt es jene, die die Crash-Gefahren aufgrund von allerlei Krisen und Kapitalmarktrisiken hoch halten und deshalb zu Goldkäufen raten. Auf der anderen Seite stehen jene, die glauben, es wird schon nicht so schlimm. Sie empfehlen Gold höchstens als ultimative Absicherung zur Depotbeimischung in Maßen.
Und es gibt schließlich jene, die mit einem weiter fallenden Goldpreis rechnen, weil sich immer mehr Investoren von dem Edelmetall verabschieden und der Goldpreis noch immer oberhalb des Vorkrisenniveaus von 2007 notiert.
Fakt ist, dass zumindest Gold in Euro im Verlauf des Jahres 2015 unter dem Strich kaum verloren hat, sondern etwa auf dem Niveau zu Jahresbeginn notiert. Allerdings hatte sich der Goldpreis schon im Frühjahr bis auf 1155 Euro pro Feinunze aufgeschwungen und kostet aktuell nur noch 976 Euro pro Feinunze. In Dollar ist das Bild etwas anders, da der starke Dollar den Goldpreis von 1185 Dollar auf inzwischen nur noch 1072 Dollar je Feinunze gedrückt hat. In beiden Währungen hatte die Sorge um das Wachstum in China Gold nochmals Jahreshochs beschert.
Wie geht es also weiter? Eine ganze Reihe von Gründen spricht für einen steigenden Goldpreis.
Inflation
Die Notenbanken in den USA und der Euro-Zone streben mit ihren geldpolitischen Maßnahmen nach höherer Inflation. Offiziell liegt die Zielmarke bei einer durchschnittlichen Preissteigerungsrate von zwei Prozent. Inflation gilt als zuverlässiger Treiber für den Goldpreis, die derzeitige Null-Inflation bremst ihn eher.
Nachfrage
Die Nachfrage nach physischem Gold ist im dritten Quartal 2015 um acht Prozent gestiegen. Wachsende Nachfrage bei einem stagnierenden oder sogar schrumpfenden Angebot sollte den Goldpreis steigen lassen. Die wichtigsten Käufer von Gold sind die Notenbanken der Schwellenländer sowie Kleinanleger. Darauf baut etwa Börsenguru Jens Ehrhardt, Vermögensverwalter aus Pullach bei München. Wie er auf dem Investmentgipfel der WirtschaftsWoche zu Protokoll gab, ist Gold für ihn ein Kauf, weil die Asiaten wieder mehr Gold kaufen dürften, als in den vergangenen zwei Jahren. Auch sein bekannter Kollege Bert Flossbach von der Kölner Vermögensverwaltung Flossbach von Storch glaubt an einen steigenden Goldpreis, wenn die Schwellenländer ihre Schwäche erst einmal überwunden hätten. Vor allem in China und Indien kaufen Kleinanleger viel Gold, zudem bauen die Notenbanken in den Schwellenländern ihre Goldbestände sukzessive auf.
Sinkendes Goldangebot
Da viele Goldproduzenten beziehungsweise Goldminen beim derzeitigen Goldpreis von 1070 Dollar je Unze Gold kaum noch kostendeckend fördern können, rechnen einige Experten mit Minenschließungen. Dadurch würde das Angebot knapper und Gold teurer. Da aber Gold auch ohne Verlust recyclebar ist und der Großteil des existierenden Golds längst in Umlauf ist, schlägt sich die Verringerung des Angebots nur gedämpft auf den Goldpreis durch.
Krisenangst
Gold gilt als Versicherung für den Fall einer Währungs- und Finanzmarktkrise. Auch starke Kursschwankungen an der Börse erhöhen daher die Nervosität der Anleger und treibt sie vermehrt in den „sicheren Hafen“ Gold. Die meisten Börsenexperten erwarten für das kommende Jahr noch stärkere Kursschwankungen als 2015.
Währungsreform
Ein möglicher Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union gefährdet auch die Euro-Zone, da andere Mitgliedsstaaten folgen könnten. Zerbricht der Euro-Währungsraum, würden sicher viele Europäer mit vermeintlich schwächerer Währung Gold flüchten, um eine Abwertung der dann notwendigen neuen Landeswährungen schadlos zu überstehen. Allerdings gilt dieses Szenario als unwahrscheinlich.
Auf der anderen Seite gibt es jedoch auch Argumente, für einen weiteren Rückgang des Goldpreises. Hier die wichtigsten:
Zinsen
Die US-Notenbank Fed hat die Zinswende eingeläutet. Auch wenn Europa davon noch weit entfernt ist, kündigt sich damit absehbar eine Zeit der Zinserhöhungen an. Da ein Goldinvestment keine Zinsen abwirft, gewinnen verzinste Anlageformen dann an Attraktivität, Gold wird als Krisenschutz und Vermögenshort weniger gebraucht. Wird aus Gold in verzinste, risikoarme Anlagen umgeschichtet, belastet das den Goldpreis.
Teurer Dollar
Gold wird auf dem Weltmarkt in Dollar gehandelt – so wie die meisten Rohstoffe. Ein steigender Dollar, wie er seit einiger Zeit zu beobachten ist und durch die Politik der US-Notenbank provoziert wird, verteuert Gold jedoch in Euro und vielen anderen Währungen. Das dämpft die Nachfrage der Kleinanleger, vor allem nach physischem Gold.
Fonds-Abflüsse
Zu den Hochzeiten der Finanzkrise steckten Profi-Investoren wie Hedgefondsmanager enorme Summen in Goldinvestments. In diesen Dimensionen wechseln jedoch selten physische Barren den Besitzer, sondern meist „Papier-Gold“, etwa in Form von börsengehandelten Goldfonds (ETF- oder ETC-Papiere), die ihre Investoren-Gelder mit physischem Gold hinterlegen. Seit Jahren ziehen diese Spekulanten ihr Geld jedoch wieder aus den Goldfonds raus, die ihrerseits dann Gold verkaufen müssen. Ihre Verkäufe drücken seit Jahren den Goldpreis – und könnten noch weitergehen. Die Goldbestände der Goldfonds nähern sich aber zusehends ihrem Vorkrisenniveau von 2007.
China
China ist mittlerweile nicht nur zum größten Goldproduzenten aufgestiegen, sondern auch eines der größten Abnehmerländer. Chinesen kaufen gerne Gold, um Vermögen zu bilden, zumal sie am Aktien- und Immobilienmarkt bereits heftige Korrekturen erlegt und hohe Anlagerisiken haben. Sinkt allerdings Chinas Wachstum - wie in diesem Jahr unter sieben Prozent – dürfte künftig weniger Geld für private Goldkäufe zur Verfügung stehen und die Nachfrage entsprechend sinken.
Keine Krisenangst
Allen Crashprophezeiungen zum Trotz ist die Finanzwelt bis heute nicht zusammengebrochen. Mit der Erholung der Weltkonjunktur, der Zinswende in den USA, bislang ausbleibender Inflation und sich als robust erweisenden Aktienmärkten ist die Krisengefahr – oder zumindest die Krisenangst – jedoch zurückgegangenen. Gold spielt daher als „sicherer Hafen“ für Vermögen immer weniger eine Rolle.
Die meisten Prognosen der Investmentbanken bewegen sich daher weiter im Bereich um die 1100 Euro. Mit nur noch 960 Dollar hat die Deka Bank beispielsweise eine der pessimistischsten Zielgrößen bekannt gegeben, die Berenberg Bank und die US-Investmentbank JP Morgan zählen mit einem Preisziel von 1150 Dollar je Unze zu den größten Optimisten.
Wer Gold jedoch als Versicherung für den Fall einer Wirtschafts- und Währungskrise betrachtet, kann den derzeit vergleichsweise niedrigen Goldpreis nutzen, um zu kaufen. Denn dann muss der Anleger das Gold auch behalten, bis die Krise eintritt. Dann dürfte der Goldpreis in jedem Fall schnell steigen. Für eine Spekulation auf Rendite dürfte sich das Edelmetall 2016 jedoch weniger eignen, denn mit deutlichen Schwankungen müssen Gold- Anleger auch im kommenden Jahr rechnen.