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Richtungsstreit beim Goldpreis

So zackig wie in der vergangenen Woche hat sich der Goldpreis schon seit langem nicht mehr aufwärts bewegt. Vieles spricht für eine gelungene Trendwende, einiges aber auch dagegen.

Liebhaber und Experten des gelben Edelmetalls zumindest erleichtert, so mancher gar euphorisch. Seit Jahresbeginn ist der Goldpreis um knapp zehn Prozent gestiegen, vor allem in der vergangenen Woche ging es rasant aufwärts. „Durchbruch im Edelmetallsektor!“ schrieb denn auch Goldenthusiast Clive Maund auf Goldseiten.de. „Goldpreis erlebt besten Jahresstart seit 1983“, titelte die Online-Ausgabe der Zeitung „Die Welt“, das Anlegermagazin „Der Aktionär“ spricht vom „großen Paukenschlag“ beim Goldpreis.

Die Kritiker der massiven Geldflut durch die Zentralbanken in den USA, Europa und Japan hoffen auf die Bestätigung, dass mit der aus ihrer Sicht unvermeidbar bevorstehenden Epoche hoher Inflation und kollabierender Papierwährungen Gold als einzig werterhaltenden Anlageklasse und Währung wieder in den Fokus rückt. Je mehr Anleger dies erkennen, so ihre Überlegung, umso stärker würde auch die Kaufkraft von Goldmünzen und –barren zunehmen. Nach der Talfahrt seit dem Allzeithoch von mehr als 1900 Dollar je Unze im September 2011 ist die Sehnsucht nach einer Erholung des Goldpreise groß. Seitdem fiel der Preis für die Feinunze des Edelmetalls um rund ein Drittel. Viele Marktbeobachter sprachen von einer geplatzten Goldblase. Ist jetzt die ganze Luft raus?

Wachsender weltweiter Goldhunger

Tatsächlich spricht vieles für einen weiter steigenden Goldpreis und damit für eine Trendwende, auch jenseits der Erwartung von galoppierender Inflation, Staatenpleiten und Währungskrisen. Aus verschiedenen Gründen könnte Gold seinen Boden gefunden und damit die Basis für einen steigenden Unzenpreis gelegt haben. Gleich mehrere Faktoren auf der Nachfrageseite sind es, die den Goldpreis derzeit beflügeln.

Ein wichtiger Treiber des Goldpreises waren zuletzt die Nachrichten über die private Goldnachfrage. Demnach haben die Goldkäufe in China erstmals die indischer Goldliebhaber übertroffen. Chinesische Konsumenten kauften im vergangenen Jahr 1066 Tonnen Goldprodukte, wie der in London ansässige Branchenverband World Gold Council am Dienstag in einem Bericht mitteilte. Das ist ein massiver Anstieg um fast ein Drittel des Vorjahresvolumens. Dabei hatten auch die Inder mehr Gold gekauft, als jemals zuvor: 975 Tonnen. In dem Land, in dem Goldschmuck als typisches Hochzeitsgeschenk für das Brautpaar auf enorme Nachfrage stößt, lagen die Goldkäufe somit 13 Prozent über dem Vorjahreswert. Zwar hat die indische Hochzeitssaison erst im Dezember ihren Höhepunkt, doch kaufen viele Inder den Schmuck möglich dann, wenn der Preis niedrig ist – auch als Altersvorsorge und Lebensversicherung.

Dabei hatte Indiens Regierung vor zwei Jahren die Importzölle von zwei auf zehn Prozent angehoben, um den Staatshaushalt zu sanieren. Die Maßnahme hatte die Goldkäufe anfangs gebremst und den Goldschmugglern gute Geschäfte beschert. Inzwischen kündigt sich nach Informationen des Wall Street Journal aber eine Kehrtwende an. Demnach plant Indien nun eine Senkung der Importzölle auf acht oder sogar nur sechs Prozent. Das dürfte zwar nicht vor Ende März passieren, lässt aber auf eine weiter steigende Nachfrage der Inder hoffen.

Noch wichtiger für den jüngsten Schub beim Goldpreis dürfte jedoch das Ende der Goldverkäufe durch Spekulanten sein. Im vergangenen Jahr mussten die mit physischem Gold unterlegten börsengehandelten Goldfonds um die 880 Tonnen Gold verkaufen, weil sich die Investoren zurückzogen. Als ursächlich dafür gelten zum einen der gestiegene Dollarkurs, die Befürchtung steigender Zinsen und attraktivere Investmentchancen am Aktienmarkt angesichts zahlreicher Indizien einer sich erholenden Wirtschaft. Gleichzeitig hatte die Angst vor einer neuen Eskalation der Schuldenkrise merklich nachgelassen, die Märkte tankten wieder Zuversicht. Gold als Versicherung schien vor diesem Hintergrund weniger notwendig. Obwohl die Nachfrage von Konsumenten nach Gold laut World Gold Council weltweit um 21 Prozent stieg, fiel die Gesamtnachfrage 2013 wegen der spekulativen Verkäufe um 15 Prozent auf 3756 Tonnen. „2013 war ein starkes Jahr für die Goldnachfrage in allen Sektoren und Regionen, mit der Ausnahme von westlichen ETF-Märkten“, sagte Marcus Grubb, Chef der Abteilung für Investmentstrategie des World Gold Council. Konsumenten bleiben der Organisation zufolge der wichtigste Faktor bei der weiterhin starken Nachfrage nach dem Edelmetall.

Die Verkäufe der Goldfonds sind anscheinend nun zum Erliegen gekommen, die größten Bestände wurden inzwischen verkauft. Der größte Goldfonds, der SPDR Gold Trust, kaufte nach massiver Anlegerflucht im vergangenen Jahr erstmals wieder Gold, weil ihm die Anleger wieder mehr Geld anvertrauten. Das lässt vermuten, dass die Investoren trotz steigender Aktienkurse und stabilem Dollar dem Frieden nicht so recht trauen und sich gegen Krisen und fallende Aktienmärkte absichern wollen – oder schlicht auf einen steigenden Goldpreis wetten. Die Krise der Schwellenländer sowie das verlangsamte Wachstum in China und den USA dürfte daher die Goldnachfrage belebt haben und womöglich noch weiter anfeuern.

Für eine Trendwende beim Goldpreis spricht auch, dass sich die Goldproduzenten anschicken, wieder auf Erfolgskurs zurückzukehren. Bedeutende Rohstoffkonzerne und einzelne Goldminenaktien melden nach Jahren der Sparmaßnahmen und Kürzung der Produktionskapazitäten wieder vielversprechende Zahlen.

Auch bei der technischen Analyse des Goldpreis-Charts sprechen erste Indizien für eine Trendwende. So wurde etwa die wichtige 200-Tage-Linie – ein gleitender Durchschnitt des Goldpreise der vergangenen 200 Tage – vom aktuellen Goldpreis nach oben durchbrochen. Das gilt als wichtiges Wendesignal, weil nun die Chance besteht, dass auch der 200-Tage-Trend wieder nach oben dreht.

Zweifel an einer Trendwende bleiben

Die Analysten der Schweizer Großbank UBS haben nach der kleinen Goldpreis-Rally ihre Prognose für das Edelmetall angehoben. Sie glauben, dass die Stimmung in den USA nach den zuletzt enttäuschenden Konjunkturdaten umschlagen könnte. Die Mehrheit der Analysten bleibt aber einer Trendwende beim Gold gegenüber skeptisch, weil es kaum fundamentale Gründe dafür gibt. Bei der Schweizer Bank Julius Bär sieht man die Gründe für den jüngsten Anstieg vor allem in einem schwachen Dollarkurs und der Notwendigkeit spekulativer Anleger, ihre Verkaufsoptionen mit Goldkäufen zu decken, berichtet die Schweizer Tageszeitung NZZ.

Auch sei davon auszugehen, dass die Zinsen über kurz oder lang steigen werden. Steigende Leitzinsen sind üblicherweise Gift für den Goldpreis. Bei den teils massiven Zinserhöhungen in den Schwellenländern Indien, Brasilien, Südafrika und der Türkei war zu beobachten, was passiert, wenn das billige Notenbankgeld allmählich versiegt. In den USA und Europa steht dieser Weg noch bevor, in den USA deutet er sich sogar schon an.

Zudem besteht durchaus die Chance, dass sich das Wachstumstempo in den USA und China auch wieder beschleunigt. Das wäre gut für die Unternehmen und ihre Aktien, Gold würde dadurch als Versicherung wieder weniger notwendig erscheinen.

Auch eine weiterhin wachsende Nachfrage nach Gold aus dem Privatsektor ist noch keineswegs ausgemacht. Sie dürfte mit steigendem Goldpreis auch wieder nachlassen. Selbst in China hat die Goldnachfrage im Jahresverlauf 2013 nachgelassen, argumentiert die Bank Julius Bär gegenüber NZZ – auch wenn für das gesamte Jahr die Nachfrage auf Rekordniveau stieg. Es gibt keine Anzeichen, dass es so weitergeht, selbst die Senkung der indischen Importzölle könnte dafür womöglich nicht ausreichen. Goldexperte Thorsten Polleit von Degussa Goldhandel behält auch die Kreditausfallrisiken im Blick, mit denen der Goldpreis in der Regel korreliert. Berücksichtigt man Geldpolitik, den inflationsbereinigten Zins und die Kreditausfallrisiken, erscheint ein Goldpreis von rund 1300 Dollar je Feinunze zunächst angemessen. Nach einer deutliche Unterbewertung von Gold klingt das jedenfalls nicht.

Andreas Toller ist Online-Redakteur für die Rubrik Finanzen bei der "WirtschaftsWoche".

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