Aufstocken statt abbauen
Gold im Tresor als eiserne Liquiditätsreserve lohnt sich. Anleger sollten ihre Barren oder Münzen nicht ohne Not abgeben. Aufstocken statt abbauen ist angesagt. Kaufen Sie Gold, schreibt Frank Doll von der WirtschaftsWoche.
„Unser Ziel ist, die Größe unserer Bilanzsumme dorthin zu bewegen, wo sie Anfang 2012 war.“ Um die Euro-Zone vor dem Absturz in die Deflation zu retten, erklärt Präsident Mario Draghi nun die Ausdehnung der Bilanz seiner Europäischen Zentralbank (EZB) zum geldpolitischen Ziel. Das ist neu.
Rückblick: Im März 2012 überstieg die Bilanzsumme des Euro-Systems, vereinfacht lässt sich an ihr der Prozess der Zentralbankgeldschöpfung in der Euro-Zone ablesen, zeitweise 3000 Milliarden Euro. Ihren Rekordstand erreichte sie wenige Monate später bei 3102 Milliarden Euro. Mehr Euro bei konstanter Goldmenge – diese Relation schob damals auch den Goldpreis. In Euro kostete die Feinunze Anfang Oktober 2012 in der Spitze 1386,51 Euro. Das war ein Jahr nachdem der Goldpreis in Dollar sein Rekordhoch bei 1921,17 Dollar markiert hatte.
Für den steilen Anstieg der Bilanzsumme des Euro-Systems – und des Goldpreises in Euro – gesorgt hatte Draghi vor allem mit zwei 500-Milliarden-Euro-Schüssen aus der „Dicken Bertha“. Gemeint sind die beiden dreijährigen Liquiditätsprogramme LTRO-1 und LTRO-2, die den Banken von der EZB im Dezember 2011 und März 2012 verabreicht wurden. Vor allem Banken in Spanien und Italien, die damals unmittelbar vor dem Kollaps standen, nutzten die mit 0,05 Prozent fast kostenlosen Liquiditätseinschüsse zum Kauf heimischer Staatsanleihen. So entschärften sie die Schuldenkrise ihrer Regierungen.
Im Januar und März 2015 müssen die Banken die LTRO-Gelder zurückzahlen. Während vor allem Institute in Südeuropa bis heute am LTRO-Tropf hängen, begannen andere Banken bereits im Sommer 2012 mit der Rückzahlung. Entsprechend geschrumpft ist seither die Bilanzsumme des Euro-Systems, auf aktuell 1988 Milliarden Euro. Nahezu parallel dazu fiel auch der Goldpreis in Euro wieder auf das Preisniveau vor der großen Liquiditätsflut zurück, aktuell notiert die Unze bei 950 Euro.
Lässt Draghi seinen Worten Taten folgen, dann wird die EZB jetzt erneut über 1000 Milliarden frische Euro in das europäische Bankensystem pumpen. Wird das Angebot an Euro derart erhöht, dann sollte auch der in Euro ausgedrückte Preis für Gold wieder steigen. Schließlich ist Gold nicht beliebig vermehrbar. Geschätzt 5600 Millionen Unzen wurden jemals auf der Welt gefördert. Gemessen an der jährlichen Minenproduktion von zuletzt rund 87 Millionen Unzen, betragen die überirdischen Goldbestände das 65-Fache der Jahresproduktion aller Goldminen. So gesehen ist es die Konstanz der Goldmenge, die Gold als Wertspeicher attraktiv macht. Während die überirdische Goldmenge jährlich nur um etwa eineinhalb Prozent wächst, will Draghi das Angebot an Euro um nahezu 50 Prozent erhöhen.
Möglicherweise dauert es aber noch etwas, bis der Goldpreis in Euro abhebt. Denn noch ist Sand im Getriebe der Euro-Pumpmaschine. Als Ersatz für LTRO dürfen sich Banken jetzt über neue längerfristige Refinanzierungsgeschäfte (TLTRO) bis zu vier Jahre Geld in Höhe von sieben Prozent ihres Bestandes an Krediten für Unternehmen und Privathaushalte zu 0,15 Prozent von der EZB pumpen.
Alle Banken der Euro-Zone zusammen kämen auf etwa 400 Milliarden Euro. Allerdings müssen die Banken das Geld zur Kreditvergabe an die Realwirtschaft einsetzen. Problem: Die Realwirtschaft fragt wenig Kredite nach, weil sie entweder nicht noch mehr Schulden auftürmen oder mangels guter Perspektiven nicht investieren will. Der Auftakt des TLTRO-Programms fiel jedenfalls mau aus.
Am Donnerstag vorvergangener Woche riefen 255 Banken in der ersten von insgesamt acht geplanten TLTRO-Auktionen nur 82,6 Milliarden Euro bei der EZB ab. Je weniger TLTRO die Banken in Anspruch nehmen, umso mehr Kreditverbriefungen und Pfandbriefe muss Draghi von Oktober an auf die Bilanz nehmen, um sein Eine-Billion-Euro-Versprechen einzulösen.
Der Aufkauf dieser Wertpapiere ist die zweite Säule der Bilanzoffensive. Nur geben die Märkte vermutlich nicht das benötigte Volumen her, zumindest nicht auf kurze Sicht. Aber versprochen ist versprochen. Und so wird es letztlich, wie in den USA, Großbritannien und Japan, auch in Europa auf den Kauf von Staatsanleihen durch die EZB hinauslaufen.
Einen Teilerfolg auf seinem Feldzug gegen die Deflation hat Draghi schon errungen. Der Euro hat abgewertet, gegenüber dem Dollar seit Anfang Mai von 1,3993 auf zuletzt 1,2725 Dollar. Die Mehrheit der Ökonomen und Verbände begrüßen einen schwachen Euro. Geht es nach Draghi, darf der Euro gar noch schwächer werden. Über die Abwertung soll Inflation in die Euro-Zone importiert und die Exportindustrie im internationalen Wettbewerb konkurrenzfähiger gemacht werden. Klingt logisch. Nur ist eine Währungsabwertung nur für eine gewisse Zeit ein süßes Gift. Es gibt in der Wirtschaftsgeschichte kein einziges Beispiel einer prosperierenden Volkswirtschaft mit einer schwachen Währung.
Auch wenn das Gegenteil propagiert wird, de facto ist ein schwacher Euro ein Betrug am Sparer in der Euro-Zone. Gold schützt Sparer vor Kaufkraftverlusten seiner Heimatwährung. Interessant: Vier der fünf Aufwärtsschübe von Gold in Euro seit 2005 fielen zusammen mit einer Schwächephase des Euro gegenüber dem Dollar (siehe mittleren Chart). Auch so gesehen, könnte der nächste Preisauftrieb für Gold in Euro bevorstehen.
Von einem gewissen Punkt an werden Investoren einen exzessiven Gebrauch der Notenpresse nicht mehr hinnehmen. Spätestens dann bricht die Währung ein, und über die Währungsabwertung steigt die Inflation. Als Folge ziehen sich Investoren komplett zurück aus dieser Währung, und die Inflation beschleunigt sich. Am Ende kommt eine Währungsreform. Um auf die vorbereitet zu sein, sollte jeder Anleger etwas Gold besitzen.
Auf jeden Fall bietet physisches Gold, auf das Anleger direkt zugreifen können, stets eine Liquiditätsreserve außerhalb des Finanzsystems. „Physisch bedeutet, dass ich immer zu meinem Safe gehen, meine Barren und Münzen rausnehmen und am Markt verkaufen kann, wenn ich das muss“, erklärt der Schweizer Vermögensverwalter Felix Zulauf. Das macht Gold zu einer begehrten Notfallreserve. Diese Absicherung kann über Jahre auch Geld kosten, so wie eine Versicherungspolice.
Für Anleger, die Gold gekauft haben, um es rasch mit Gewinn wieder zu verkaufen, hat sich der Goldpreis in letzter Zeit natürlich glanzlos entwickelt. Zumal Aktien im Performancerennen mit Gold stark aufgeholt haben. So lief der Dax zwischen Mitte 2011 und Ende 2013 besser als Gold in Euro (siehe unterer Chart). Investoren, die Trends folgen, sind raus aus Gold und rein in Aktien, weil Aktien eben besser laufen.
Trotzdem bleibt unklar, warum Aktien mit der Aussicht auf eine weitere Alimentierung durch die EZB weiter zulegen sollten, aber ausgerechnet Gold nicht? Vielleicht sollte die Losung nicht lauten: Gold statt Aktien, sondern Gold und Aktien. Investmentlegende Marc Faber sieht einen Kompromiss: Goldminenaktien (siehe Interview ab Seite 100). Einsteigen können Anleger über einen Goldminenfonds, etwa den Tocqueville Gold Fund mit der ISIN FR0010649772.
Denkbar ist, dass auch am Goldpreis gedreht wird. Schockartige Rückgänge wie beim Gold beobachtet seien typisch für Markteingriffe, sagt Dimitri Speck. Der Analyst des Vermögensverwalters Staedel Hanseatic aus Riga aber nimmt das gelassen. Was Anleger tun sollen? „Kaufen, was sonst?“ Sie bekämen Gold immerhin günstiger, als es ohne die Eingriffe der Fall wäre. Manipulationen änderten nichts an der grundsätzlichen Problematik, dass es zu viele Papiergeldansprüche gibt.