Die letzten Geheimnisse um Fort Knox und sein Gold
Goldfinger und James Bond machten Fort Knox berühmt. Doch was geschieht wirklich hinter den Stahltüren von Amerikas Tresor? Und liegen dort wirklich 7700 Tonnen Gold? Uwe Schmitt von "Die Welt" schreibt mit Bezug auf eine N24-Dokumentation.
"Erwarten Sie, dass ich rede, Goldfinger?" – "Nein, Mister Bond, ich erwarte, dass sie sterben!" Niemand, der über fünfzig ist, kann glaubhaft behaupten, bei dem Stichwort Fort Knox an etwas anderes zu denken als an Gerd Fröbe in der Rolle des gemütlichen Bösewichts Auric Goldfinger, Sean "Double-0-Seven" Connery und Honor Blackman als Bond-Girl Pussy Galore. Erst der Film von 1964 machte Amerikas Schatzkammer in Kentucky sinnlich und aufregend. Und er korrigierte, was Ian Flemings Roman von 1959 naiverweise als schnöden Diebstahl beschrieben hatte: Goldfinger plant dort, in aller Ruhe, wohl über Wochen, ungehindert Tausende Tonnen Gold abzutransportieren.
Im Film will er die Vorräte mit radioaktiver Strahlung unbrauchbar machen und mit seinen eigenen Goldreserven den Weltmarkt beherrschen. Die Schurkin Pussy Galore endet mit Bond im Schlauchboot: "Schreibst Du mir nach Sing Sing?", fragt sie treuherzig. Und Millionen Frauen wollten an ihrer Stelle sein.
Damals hatte alles noch seine Ordnung im internationalen Verbrechen. Und im US-Finanzministerium. Fünfzig Jahre danach ist laut der Dokumentation "USA Top Secret: Fort Knox" des Informationssenders N24 nicht einmal gewiss, ob das Gold in Fort Knox noch den USA gehört oder Gläubigernationen. Oder ob sich noch ein einziger Barren dort befindet.
Der Film erzählt von den Legenden, Gerüchten und Geheimnissen, die um den Tresor Amerikas seit seiner Geburtsstunde 1937 entstanden. Inmitten eines 441 Quadratkilometer großen Stützpunktes der US-Armee südlich von Louisville gelegen dürfte es einer der am besten bewachten Orte des Landes sein. Es heißt, die Bestände der US Bullion Depository seien seit den 30er-Jahren nicht mehr überprüft worden. Ob dort 7716 Tonnen Gold lagern, wie die Notenbank Federal Reserve angibt oder 4500 Tonnen (N24) oder nichts als vergoldete Bleibarren – niemand ist befugt, sich im Namen des amerikanischen Volkes davon zu überzeugen. Das nämlich ist der Eigentümer des Schatzes. Oder einer Schimäre. 238.290 Barren lägen dort, sagt die Regierung, 1,35-mal mehr als beim zweitgrößten Goldhorter der Welt: Deutschland.
Natürlich ist es diese Geheimniskrämerei, die Gerüchte und Verschwörungstheorien blühen lässt. In den unterirdischen Gemächern lagere kein Gold, wohl aber die Trümmer eines Ufos und ein Buch mit brisanten Staatsgeheimnissen (der Name des wahren Mörders von John F. Kennedy usw.), deren Veröffentlichung die Nation in eine Verfassungskrise stürzen würde. Wahr ist immerhin, dass während des Zweiten Weltkriegs vier Abschriften der Magna Carta vor dem Luftkrieg über London gerettet wurden und dass die Originale der amerikanischen Verfassung wie der Unabhängigkeitserklärung aus den gefährdeten Städten an der Ostküste in die Provinz geschafft wurden.
Eine 22 Tonnen schwere, 53 Zentimeter dicke Tür, die Sprengungen widerstehen kann, schloss sich hinter diesen Schätzen. Die US Mint Police, 1792 gegründet und eine der ältesten Sicherheitseinheiten der USA, bewacht die Kammer, die Diebe zudem mit Gas und Überflutung bedroht. Das Gelände ist durch Minenfelder und Stacheldraht gesichert. Tausende Soldaten bewachen ihrerseits die Bewacher der Münzpolizei.
Ein langweiliges Behördengebäude
Das dürfte eigentlich genügen. Die Fantasie lässt sich so nicht zähmen. Ziemlich gesichert erscheint die Annahme, dass in der New Yorker Federal Reserve mehr Gold lagert als in Fort Knox. Fort Knox sei "für Touristen", spotten die Bad Guys in einem der "Die Hard"-Filme mit Bruce Willis. Naturgemäß misslingt ihr Coup wie einst Goldfingers Plan. Der Film hatte immerhin nackte Schönheiten zu bieten, die mit Goldüberzug erstickt wurden. "Stirb langsam" ist dagegen so keusch wie die Augsburger Puppenkiste. Es kann gut sein, dass einer der Zeugen in der N24-Dokumentation, der in Fort Knox gearbeitet hat und es als langweiliges Behördengebäude beschreibt, dichter an der Wahrheit ist als die Idee von einer "Kathedrale aus Gold", wie sie in "Goldfinger" errichtet wurde.
"Eher würden die Vereinigten Staaten die exakten Baupläne für ihre Atomwaffen offenbaren als ihre Goldbestände", behauptet ein Zeuge in dem Film. Ziemlicher Unsinn, wie es scheint. Mag sein, dass US-Kampfpiloten tatsächlich Goldmünzen, nicht Banknoten bei sich führen, falls sie sich in Feindesland durchschlagen müssen. Was beweist das? Nur dass Gold eine (im Wert heftig schwankende) Weltwährung ist. Diamanten sind leichter zu transportieren, doch brauchen sie Expertise beim Tausch.
An Goldmünzen kann man sich die Zähne ausbeißen. Von Gold kann man träumen, für die Verheißung von Gold wurde seit jeher erobert, gefoltert, getötet. Und die Vorstellung unermesslichen Reichtums, aufgetürmt in einer Schatzkammer, ist so alt wie menschlicher Neid.
Völlig unschuldig an dem Fluch des Goldes ist Henry Knox (1750 – 1806), während der amerikanischen Unabhängigkeitskriege der kommandierende Offizier der Artillerie und Kriegsminister unter Präsident George Washington. Knox' Name bezeichnete den Heeresstützpunkt der US Army in der Wildnis von Kentucky, bis der Bürgerkrieg ausbrach. Von 1861 bis 1865 sei Fort Knox "umkämpft" gewesen, heißt es, "contested".
Präsident Franklin Roosevelt besann sich während der Weltwährungskrise auf den denkbar sicheren Ort, als er den Amerikanern ihr Gold raubte. Oder etwas genauer: Um Spekulationen mit Gold und dem Dollar zu verhindern, verfügte Roosevelt in seiner Exekutivorder 6102 , dass privater Goldbesitz künftig verboten sei, und erzwang den Ankauf durch die Federal Reserve Bank. Von 1933 bis 1937 vervierfachte die US-Notenbank ihre Goldbestände auf einen Wert von zwölf Milliarden Dollar.
Der Dollar blieb an das Gold gebunden, bis Richard Nixon die Währung 1971 aus der Garantie entließ. Drei Jahre danach hatten einige Politiker und Journalisten zum ersten Mal Zutritt zu dem Goldschatz in Fort Knox. Am 23. September 1974 führte Mary Brooks, Chefin der staatlichen Münze, die Abordnung feierlich in das Allerheiligste. Dreißig Minuten lang durften die Besucher – Fotos zeigen sie staunend wie Kinder am Geburtstag – die 12,5 Kilogramm schweren Barren streicheln und für schwer befinden. Sie kehrten als Gläubige zurück in die Welt.
Die Spekulationen aber endeten nicht etwa an jenem Tag. Im Gegenteil: Warum durfte die Gruppe nur die Kammer Nr. 13 besichtigen? Warum durfte sie sich nicht frei bewegen? Das Ganze sei ein Betrug, meinten manche, mit Gold beschichtete Attrappen. Alles Lüge.
Man muss sich nicht wirklich wundern, warum das amerikanische Finanzamt nie mehr ein zweites Volksgutachten zuließ. Das Ganze ist geheim, basta. Schweigen ist Gold. Auric Goldfinger hätte volles Verständnis.