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Die Anleger verschlafen den Goldpreis-Höhenflug

Nicht nur der Dax bricht Rekorde, auch Gold boomt. Doch niemand will in das Edelmetall investieren. Das liegt wohl an den noch jungen Crash-Erinnerungen – und an einer Art optischer Dollar-Täuschung. Von Daniel Eckert von "Die Welt".

Das Jahr 2015 wird als das Jahr der Aktie in die Geschichte eingehen. Daran dürften auch die jüngsten Rücksetzer im Dax nicht viel ändern. In nur etwas über vier Monaten hat das deutsche Börsenbarometer Anlegern einen Wertzuwachs von 17 Prozent beschert. Doch im Schatten der Aktien hat sich eine andere Geldanlage mehr als passabel geschlagen: Gold.

Um respektable zehn Prozent hat sich das gelbe Metall, das als die älteste Geldanlage der Welt gilt, dieses Jahr verteuert. Rein rechnerisch konnten Sparer mit Gold eine 20 Mal so hohe Rendite erzielen wie mit Tagesgeld. Aber dieses Mal will die Rallye des Rohstoffs so gar nicht ins öffentliche Bewusstsein dringen.

"Schon kurios, wir befinden uns mitten in einem Goldaufschwung, aber kaum jemand redet darüber", sagt Ronald Stöferle, Fondsmanager bei der Investmentgesellschaft Incrementum in Liechtenstein. Stöferle gilt als einer der führenden Edelmetallexperten im deutschsprachigen Raum und ist für seinen viel beachteten Report "In Gold We Trust" bekannt.

Wenn die Gold-Hausse quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet, gibt es dafür einen höchst aufschlussreichen Grund: Menschen lassen sich leicht von vermeintlich nackten Zahlen täuschen, sie denken nicht in Kaufkraft oder in Werten.

Der Goldpreis wird praktisch überall in Dollar angegeben. Das ist ein historisches Relikt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es in der kapitalistischen Welt üblich, die Notierungen von Rohstoffen in der unangefochtenen Zentralwährung des Bretton-Woods-Systems zu ermitteln, dem Dollar.

Gold-Rallye durch optische Täuschung verdunkelt

Selbst heute, im Zeitalter von Smartphone und Internet, hat sich das gehalten. Das führt dazu, dass sich viele Anleger auf den Goldpreis in amerikanischer Devise fokussieren.

Auf dem Chart, der grafischen Darstellung des Goldpreises in Dollar, sieht es so aus, als würde der Wert des gelben Metalls langsam, aber sicher abbröckeln. Näherte sich der Goldkurs im Frühjahr 2014 während der Ukraine-Krise vorübergehend der Marke von 1400 Dollar je Unze (31,1 Gramm), um dann lange wild um die 1300 Dollar zu schwanken, so steht er heute bei unter 1200 Dollar.

Doch das ist nur die eine Seite der Medaille. Zugleich hat die starke Aufwertung des Greenback das Edelmetall in Euro gerechnet deutlich verteuert. Und zwar nicht nur 2015: Vor dem zehnprozentigen Anstieg dieses Jahr ist Gold auch schon vergangenes Jahr in Euro gerechnet zwölf Prozent teurer geworden. Eine Unze des Metalls hat hierzulande also eine höhere Kaufkraft als vor anderthalb Jahren.

Schweizer Anleger bleiben ohne Kursgewinne

"Wenn Sie nicht gerade eine amerikanische Investmentbank oder ein Rohstoffspekulant sind, ist es der Goldpreis in der jeweiligen Landeswährung, nicht der in Dollar, der zählt", sagt Stöferle. Nicht nur aus europäischer Sicht, in den meisten Ländern der Welt stehe das Edelmetall heute höher im Kurs als Anfang 2014.

Eine charakteristische Ausnahme ist die Schweiz: Wegen der extremen Verteuerung des Schweizer Franken haben eidgenössische Anleger anders als deutsche oder österreichische dieses Jahr mit Gold keinen Gewinn gemacht. "Die Heimatwährung des Anlegers wird bei der Betrachtung des Goldpreises immer wichtiger", betont auch Bernd Junginger, Portfoliomanager bei der SVA Vermögensverwaltung in Stuttgart.

Dennoch, mit aktuell rund 1070 Euro pro Feinunze rangiert der Goldpreis immer noch mehr als 300 Euro unter seinem historischem Hoch von 1378 Euro, den er im August 2012 inmitten der Euro-Panik markierte. Ausgerechnet damals, zum Zeitpunkt der großen Verunsicherung, haben sich viele hiesige Sparer mit Münzen und Barren eingedeckt – und sitzen jetzt auf schmerzhaften Buchverlusten. Klar, dass sie sich fragen: Wie geht es weiter mit dem Metall der Könige?

Investmentbanken senken den Daumen

Über die weiteren Aussichten für Gold besteht selbst bei Kennern große Uneinigkeit. Während große Investmentbanken wie Goldman Sachs den Daumen senken und ein Abbröckeln des Kurses Richtung 1000 Dollar erwarten (das wären dann bei unverändertem Wechselkurs weniger als 900 Euro) schätzen Vermögensprofis und Praktiker die Aussichten besser ein: "Institutionelle Anleger entdecken das Edelmetall wieder, zudem sind diverse Notenbanken weiterhin auf der Käuferseite", sagt Jörg Jubelt von PMP Vermögensmanagement in Düsseldorf.

Dazu kämen Risiken wie Grexit (Austritt Griechenlands aus dem Euro), Brexit (Austritt Großbritanniens aus der EU) oder die Parlamentswahlen in Spanien, bei der die Linkspopulisten siegen könnten. All diese Ereignisse könnten die Kapitalmärkte in große Verunsicherung stürzen. Das wiederum würde das erlahmte Anlegerinteresse an Gold wiederbeleben und den Preis nach oben treiben.

"Gold ist der Geheimfavorit des Jahres"

Etwas skeptischer äußert sich Stephan Witt, Anlagestratege bei Finum Private Finance in Berlin: "Für viele war Gold der Geheimfavorit 2015. Doch bisher konnte das Edelmetall noch nicht sehr viel davon beweisen." Zwar schieße die Europäische Zentralbank weiter fleißig Geld nach, und auch die Inflationsängste kämen langsam zurück. Doch werde der Effekt dieser Maßnahmen wohl eher langfristig auf den Unzenpreis wirken. Weitere Rückschläge seien möglich.

Kurzfristig bestimmt neben der Geldpolitik der Zentralbanken die Nachfragesituation in China und Indien die Stimmung am Goldmarkt. Doch gerade aus Asien kamen zuletzt ernüchternde Zahlen. Wie diese Woche bekannt gegeben wurde, hat die Volksrepublik China im März netto nur rund 66 Tonnen Gold aus Hongkong importiert. Dies war die niedrigste Menge an Goldeinfuhren seit sieben Monaten.

Im ersten Quartal summierten sich die Netto-Importe laut der Statistikbehörde nur auf 210 Tonnen – 27 Prozent weniger als im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Auf dem Festland ist die Nachfrage nach dem Edelmetall im ersten Quartal im Vergleich zu 2014 nur um ein Prozent auf 327 Tonnen gestiegen, und das bei einem Wirtschaftswachstum von sieben Prozent.

China bringt eine große Enttäuschung

Die überraschend schwache Entwicklung in China hat dazu beigetragen, dass der Absatz von Goldmünzen und -barren im ersten Quartal um neun Prozent auf 990 Tonnen gefallen ist. Alles in allem eine enttäuschende Entwicklung.

Dem stehen jedoch anhaltende Käufe der Notenbanken großer Schwellenländer gegenüber, die zeigen, dass das gelbe Metall für Regierungen nichts von seinem Reiz als Dollar-Ersatz eingebüßt hat. Auch die viel beachteten Bestände der Gold-ETF fallen nicht mehr. ETF sind börsengehandelte Investmentvehikel, mit denen sich Hedgefonds und andere große Adressen für einen steigenden Edelmetallpreis positionieren.

Nachdem die Fonds 2014 einen Aderlass zu verkraften hatten, steigen die investierten Volumina – wenngleich unter starken Schwankungen – seit Januar wieder an. Ebenfalls gefragt sind 2015 Goldminen und Goldminenfonds, mit denen risikobereitere Anleger auf die Chancen der Goldindustrie wetten. Die Aktien von Minenbetreibern bewegen sich in guten wie in schlechten Zeiten viel extremer als der Preis des Rohstoffs.

Minenaktien für den ganz heißen Ritt

Verteuert sich Gold um zehn Prozent, können Goldaktien schon mal um 50 Prozent nach oben schießen. Und genau das ist dieses Jahr passiert: Die Kurse vieler Branchentitel gingen durch die Decke.

"Viele Unternehmen im Goldsektor profitieren von den niedrigen Ölpreisen, die ihnen helfen, die Förderkosten zu drücken", benennt Jan-Patrick Weuthen, Portfoliomanager bei der B&K Vermögen GmbH in Köln, einen der Gründe. Die ganze Branche sei im Umbruch. Doch wie die Jahre 2013 und 2014 gezeigt haben, verwandeln sich bei Goldminenaktien Gewinne leicht in Verluste, wenn die Stimmung am Markt dreht.

"Goldanleger sollten grundsätzlich nicht auf kurzfristige Gewinne schielen", sagt Goldexperte Stöferle, der auch den langfristig orientierten Austrian Economics Golden Opportunities Fonds managt (WKN: A1XDUW). Wie der Name sagt, investiert er Geld nach den Prinzipien der Österreichischen Schule der Nationalökonomie.

Wertgewinn von 13 Prozent im Jahr

Gold firmiert darin als eine Währung, deren Menge die Staaten nicht beliebig vermehren können. Die Überschuldungskrise werde das Weltfinanzsystem noch unangenehm einholen, das sei dann die Stunde des gelben Metalls, ist Stöferle überzeugt. Am Ende des Zyklus sieht er den Goldpreis bei 2300 Dollar.

Die historische Wertentwicklung des edlen Metalls braucht trotz aller Turbulenzen der jüngeren Zeit schon jetzt keinen Vergleich zu scheuen. In den vergangenen zehn Jahren hat sich Gold Jahr für Jahr um elf Prozent auf Dollar-Basis respektive um 13 Prozent auf Euro-Basis verteuert, und das ungeachtet des Edelmetall-Crashs 2013. Mehr schaffte der Dax in dieser Zeit auch nicht.

Daniel Eckert ist Finanzredakteur der Zeitung "Die Welt". Darüber hinaus ist er Autor des Wirtschaftsbestsellers "Weltkrieg der Währungen" (2010).

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