Wo ist das deutsche Gold?
"Unser Gold ist für immer verloren." Oder: "Die USA weigern sich, unser Gold zurückzugeben." Sie hätten es heimlich weggeschafft und gefälschte Barren nach Frankfurt geliefert. Es gibt zahlreiche Gerüchte über das angeblich gestohlene deutsche Gold schreibt Nele Pasch.
Gold weckt Emotionen, vor allem, wenn es weg ist. So ist es auch mit den Reserven der Bundesrepublik Deutschland. Im Netz findet sich zum Beispiel die These, dass große Teile der deutschen Goldreserven nicht mehr existierten. Andere glauben, dass sie mit billigem Wolfram gestreckt worden seien.
Das stimmt so nicht. Die Deutsche Bundesbank veröffentlicht jährlich eine Liste, die Aufschluss über den Verbleib eines jeden deutschen Goldbarrens gibt. Demnach besitzt die Bundesbank 3379 Tonnen Gold - der zweitgrößte Goldbestand der Welt (Stand: Dezember 2016). Es lagern 1619 Tonnen in Tresoren der Deutschen Bundesbank in Frankfurt am Main. Das entspricht 47,9 Prozent des deutschen Goldbestandes. Heißt: Fast die Hälfte liegt mittlerweile auf heimischem Boden. Der Rest befindet sich laut Bundesbank in der Federal Reserve Bank (Fed) in New York – 1236 Tonnen (36,6 Prozent), in der Bank of England in London – 432 Tonnen (12,8 Prozent) und in der Banque de France in Paris – 91 Tonnen (2,7 Prozent).
Der Vorwurf: Intransparenz
Das war lange anders: Bis 1998 lagerten nur gut zwei Prozent der damaligen Bestände in Deutschland. Bis zum Jahr 2013 waren es immerhin schon 35 Prozent. Kritikern ist das immer noch zu wenig. Sie zweifeln an der Vollständigkeit und Qualität des im Ausland gelagerten Goldes. Die Bürgerinitiative "Holt unser Gold heim!" fordert seit 2011 die schnelle Rückführung des gesamten restlichen Goldes.
Warum? "Um die Option der (Teil-)Deckung einer künftigen neuen Währung zu erhalten", wie es auf der Internetseite der Initiative heißt. Außerdem sei die "völlig intransparente Lagerung der Goldbestände in ausländischen Lagern mit unklarer Eigentümerstruktur" kritisch, schreiben die Skeptiker. Selbst der Bundesrechnungshof monierte im Herbst 2012, die Bundesbank habe die Goldreserven jenseits der Landesgrenzen noch nie "körperlich aufgenommen und auf Echtheit und Gewicht" geprüft.
Tatsächlich ist die Bundesbank nicht immer transparent mit Menge und Aufenthaltsort der deutschen Goldreserven umgegangen. Lange war öffentlich nur bekannt, dass Deutschland Gold besitzt. Jedoch nicht, wo die Barren lagern oder wer Zugriff darauf hatte. Lange Zeit hieß es, man wolle aus Rücksichtnahme auf die Geschäfts- und Sicherheitsinteressen der Partner-Notenbanken keine Auskunft über die genaue Aufteilung geben.
Zündstoff für Verschwörungstheoretiker. So meinen manche, schon US-Präsident Lyndon B. Johnson habe den Goldschatz heimlich nach London schaffen lassen. Andere gehen davon aus, dass sein Nachfolger Richard Nixon das Gold versilbern ließ. Oder haben international agierende Macht- und Finanzeliten sich selbst bereichert und gemeinsam mit den Rockefellers die Tresore ausgeräumt? Alles Theorien, die es im Internet gibt.
Auskunft über jeden einzelnen Barren
Die Bundesbank reagierte auf die zunehmende Kritik und veröffentlicht nun jährlich eine Liste, in der auf 2400 Seiten jeder einzelne Goldbarren aufgelistet ist, samt Lagerort, Inventarnummer sowie Brutto- und Feingewicht. Die Liste ist öffentlich einsehbar. Aus ihr geht hervor, dass bis dato 7255 deutsche Goldbarren in Paris lagern, 34.563 in England, 98.613 in New York und 129.382 Barren in Frankfurt am Main.
Außerdem stellte die Bank im Januar 2013 ein sogenanntes Lagerstellenkonzept vor. Darin heißt es, dass sie bis 2020 die Hälfte der deutschen Goldbestände nach Deutschland holen wolle. Um das Ziel zu erreichen, müssen insgesamt 674 Tonnen Gold bewegt werden. Gemessen am aktuellen Goldpreis entspricht das einem Wert von fast 25 Milliarden Euro.
Die Hälfte bleibt im Ausland
Bis Ende 2016 hat die Bank schrittweise schon 300 Tonnen Gold aus New York und 283 Tonnen Gold aus Paris nach Frankfurt am Main geholt. Das Ziel sei, wieder mehr Vertrauen im Inland zu schaffen, erklärt eine Sprecherin der Bundesbank auf Anfrage von ARD-faktenfinder. Dennoch werde man nicht den gesamten Goldbestand in die Heimat bringen. Der Sinn der deutschen Goldreserven bestehe darin, innerhalb kürzester Zeit Gold in Fremdwährungen an Goldhandelsplätzen im Ausland tauschen zu können. Deshalb bleiben Goldreserven in New York und London bestehen.
Auch ARD Börsenexperte Stefan Wolff plädiert dafür, nicht den gesamten Goldbestand nach Deutschland zu holen. Gold diene als eine Art Reservewährung in schlechten Zeiten, als echter Gegenwert zum Geld. Wenn ein Teil des Goldes im Ausland lagere, sei man nicht nur an eine bestimmte Währung gekoppelt. "Außerdem ist es im Falle eines Überfalls sicherer, den deutschen Goldschatz nicht komplett an einem Ort zu lagern", so Wolff.
Lagerstelle in Paris wird aufgelöst
Da Frankreich aber wie Deutschland zum Euroraum gehört, wird die Lagerstelle bei der Banque de France aufgelöst. Dafür müssen noch 91 Tonnen Gold von Paris nach Frankfurt gebracht werden, was noch in diesem Jahr geschehen solle, so Bundesbank-Vorstandsmitglied Carl-Ludwig Thiele. "Die Goldverlagerungen aus New York wurden im vergangenen Jahr erfolgreich abgeschlossen." Damit liege man eindeutig vor dem ursprünglichen Zeitplan. Wider der Erwartungen einiger Skeptiker liefen die "Goldverlagerungen reibungslos und es gab keinerlei Beanstandungen", so Thiele. Weder habe sich die Fed geweigert, das Gold auszuhändigen, noch wurde der Transport abgebrochen.
Handelt es sich wirklich um das deutsche Gold?
Die Vorstellungskraft der Skeptiker kennt in Bezug auf Gold aber keine Grenzen. So existieren nicht nur Mythen darüber, dass die Amerikaner deutsches Gold verhökert hätten. Möglicherweise sei es auch durch Attrappen ersetzt oder mit billigem Wolfram gestreckt worden, sodass man jeden einzelnen Barren im eigenen Land durchbohren oder einschmelzen lassen müsse, um seinen Gehalt zu prüfen.
Um auch diesen Vorwurf zu widerlegen, hat die Bundesbank in den ersten zwei Jahren der Rückholaktion Goldbarren umgeschmolzen. "Da sich dabei keine Abweichungen im Goldgehalt gezeigt haben, verzichten wir seit Ende 2014 darauf", sagt Bundesbank-Vorstand Thiele. Die Goldbarren würden aber einer ausführlichen Eingangs- und Echtheitsprüfung unterzogen. Das Gold wird gewogen und mit Ultraschall untersucht. "Wir können sicherstellen, dass es sich stets um die deutschen Goldbarren handelt", so eine Sprecherin der Bank. "Da wir hier in Frankfurt aber auch die Sicherheit der Barren gewährleisten müssen, kann nicht jeder freien Zugang zu den Goldbeständen erhalten."
Warum lagert überhaupt deutsches Gold im Ausland?
In New York und in Paris liegt das Gold der Bundesrepublik, weil es dort schon vorher lagerte und nur den Tresorraum wechseln musste. Der florierende Export in den 50er- und 60er-Jahren bescherte Deutschland Überschüsse in der Außenhandelsbilanz, die man gegen Gold eintauschte. Entsprechend wurde nie aktiv Gold in die USA gebracht und es kann deswegen nicht "heimgeholt" werden, sondern wird nun zum ersten Mal in das Land des Eigentümers gebracht.
"Man ließ die Bestände damals auch aus gutem Grund im Ausland am Ort ihrer erstmaligen Einlagerung, denn sie entstanden im politischen Umfeld des Ost-/West-Konflikts", erklärt die Sprecherin der Bank. Aufgrund der geopolitischen Gefahrenlage Deutschlands bestand ein hohes Interesse daran, die deutschen Goldreserven möglichst weit westlich vom "eisernen Vorhang" zu lagern. Auch als Puffer für mögliche Währungskrisen. Letzteres gilt noch heute.