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"Verkaufswelle bei Gold ist übertrieben“

Der Chef-Rohstoff-Analyst der Commerzbank sieht Gold in Euro langfristig steigen. Auch eine US-Zinswende ändere daran nichts. Von Martin Gerth von der WirtschaftsWoche.

WirtschaftsWoche: Herr Weinberg, wer Gold hält, schaut ängstlich auf die US-Notenbank, weil er höhere Zinsen fürchtet. Treibt die Angst den Goldpreis weiter nach unten?

Eugen Weinberg: Die Angst vor der Zinswende hat den Preis bereits gedrückt. Wenn die Fed das tut, was alle erwarten, dann hat das keinen Einfluss mehr auf den Goldpreis. Sollte die Fed dagegen die Zinswende verschieben, wäre das eine Nachricht, die den Goldpreis bewegen würde — und zwar nach oben. Im übrigen war der Beginn eines Zinserhöhungszyklus in der Regel auch der Tiefpunkt für den Goldpreis. Das war beispielsweise 2002 zu beobachten.

Gold wirft keine Zinsen ab, warum nicht in bald höher verzinste Anleihen investieren?

Zunächst werden die Zinsen nur langsam steigen — und zwar vor allem am kurzen Ende. Die für die Kapitalanlage wichtigeren Anleihen mit längeren Laufzeiten werden anfangs kaum höhere Zinsen abwerfen. Die Angst vor der Zinswende ist psychologisch und nicht fundamental begründet.

Trotz ihres Optimismus erwarten die meisten Analysten einen schwachen Goldpreis.

Erstmals überhaupt setzen die meisten Hedgefonds auf einen fallenden Goldpreis. In der Vergangenheit war deren Stimmung ein guter Kontra-Indikator. Langfristig bin ich daher optimistisch. Angesichts des kurzfristig negativen Trends scheuen viele Anleger in Gold zu investieren. Für einen nachhaltigen Anstieg von Gold wäre aber eine wachsende Nachfrage nach Gold-ETFs nötig.

Halten Sie die Panik vieler Gold-Investoren also für gerechtfertigt?

Nein. Die aktuelle Verkaufswelle bei Gold ist übertrieben. Aus Sicht der Euro-Anleger ist der Goldpreis von rund 1000 Euro pro Unze sehr attraktiv. Gold verspricht mehr Stabilität als die Papierwährung Euro. Denn dank der lockeren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank dürfte der Euro quasi zu einer Art Lira, also einer schwachen Währung mutieren. Das spricht dafür, Gold zu halten, statt es zu verkaufen. Langfristig wird der Goldpreis, in Euro gerechnet, steigen.

Russische Minen sollen laut Rating-Agentur Fitch die Produktionskosten auf 585 bis 675 Dollar je Tonne Gold gedrückt haben. Demnach könnte Gold sehr viel billiger sein.

Die Produktionskosten sind nicht der entscheidende Faktor für den Preis, denn Gold ist kein Industriemetall, das verbraucht wird. Bei einem stabilen Bestand von weltweit etwa 180 000 Tonnen fallen 30 bis 50 Tonnen, die in Russland etwas günstiger produziert werden, nicht ins Gewicht. Auch wie viel die Minen jährlich produzieren hat kaum Einfluss auf den Preis. So schwankte die jährliche Produktion in den vergangenen zehn Jahren lediglich zwischen 2300 und 2800 Tonnen pro Jahr, obwohl sich der Preis in dieser Zeit erst vervielfacht und danach fast halbiert hat.

In China und Indien wächst die Wirtschaft langsamer. Schmucknachfrage und Goldpreis könnten darunter leiden.

Wie viel Schmuck nachgefragt wird, hängt nicht am Wirtschaftswachstum, sondern am Goldpreis. Ist der Preis niedrig, wird viel nachgefragt, ist er hoch, knickt die Nachfrage ein. Viel wichtiger sind die Goldkäufe der Notenbanken. Die westlichen Zentralbanken haben kaum mehr Gold verkauft. Dafür haben die Zentralbanken der Schwellenländer China, Russland, Indien und Kasachstan Jahr für Jahr Hunderte Tonnen gekauft. Sie sehen in Gold ein wichtiges Mittel, ihr Vermögen zu diversifizieren, und dürften weiter aufstocken.

Russlands Notenbank soll mit Goldkäufen Reserven in Milliardenhöhe versenkt haben.

Das ist Unsinn. Seit 2006 hat Russlands Notenbank 35 Milliarden Dollar in Gold investiert. Derzeit sind die Bestände 40 Milliarden Dollar wert. Mit einem Investment in Euro hätte die Notenbank ein wesentlich schlechteres Geschäft gemacht.

Chinesen haben dagegen Gold verkauft.

Richtiger wäre zu sagen, sie haben in den letzten Monaten weniger Gold gekauft, denn sie sind neben den Indern die weltweit größten Goldimporteure. Für die schwächeren Goldkäufe gibt es mehrere Gründe. Zum einen haben sich andere Anlagen, wie zum Beispiel Aktien, bis zum aktuellen Crash gut entwickelt. Zum anderen wurden auch in China Krisen und Inflationsgefahren weniger stark wahrgenommen. Das kann und wird sich aber ändern. Kurzfristig haben wahrscheinlich auch einige chinesische Hedgefonds mit Leerverkäufen von Gold und anderen Rohstoffen auf einen fallende Preise gesetzt. Ob sie sich bei Gold nicht getäuscht haben, wird sich bereits in den nächsten Wochen zeigen.

Die WirtschaftsWoche ist ein Wirtschaftsmagazin in deutscher Sprache und Pflichtblatt der Wertpapierbörse in Frankfurt und Düsseldorf.

Hinweis: Der Inhalt dieser Webseite ist dazu gedacht, den Leser zum Nachdenken über wirtschaftliche Themen und Ereignissen anzuregen. Aber nur Sie selbst können entscheiden, wie Sie Ihr Geld anlegen und tragen die alleinige Verantwortung hierfür. Informationen und Daten können zudem durch aktuelle Ereignisse bereits überholt sein und sollten durch eine zusätzliche Quelle bestätigt werden, bevor Sie investieren.

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