Silberpreis: Sind 14% in einem Monat genug?
Spekulative Short-Positionen erreichten Anfang Juni zuerst ein Rekordniveau, reduzierten sich dann aber so schnell wie nie zuvor und verhalfen somit den Silberpreisen zu einem Auftrieb…
Der Silberpreis erreichte am Mittwoch den höchsten Stand der letzten 15 Wochen, schreibt Adrian Ash von BullionVault. Seit dem Einbruch Ende Mai auf eines der niedrigsten Niveaus in den vergangen vier Jahren, legte Silber um 14,1% zu.
Gibt es noch mehr Treibstoff für weitere kurzfristige Gewinne?
Der Sommer ist erfahrungsmäßig recht unspektakulär für die Gold- und demnach auch für die Silberpreise. Betrachtet man die letzten 45 Jahre, so haben sich die Preise zwischen Juni und August durchschnittlich weniger als in anderen 3-monatigen Zeiträumen bewegt. Aber in 2014 haben sich bislang sowohl Gold als auch Silber dieser saisonalen Flaute entzogen. Gold gewann gegenüber dem Dollarpreis 6% dazu, bei Silber ist die Steigerung sogar mehr als doppelt so groß.
Bei Silber waren auf jeden Fall die Short-Positionen der unmittelbare Grund für den Anstieg. Anfang letzten Monats erreichten die Wetten von Hedgefonds und anderen Spekulanten gegen Silber ein Allzeithoch. Die Vermutung lag nahe, dass das für die Leerverkäufer von Silber schlecht ausgehen könnte, falls die Preise steigen.
Aber abgesehen vom Derivatehandel war im Juni die Nachfrage nach Silber eigentlich recht gering. So blieben beispielsweise die Edelmetallbestände von BullionVault-Benutzern im letzten Monat gleich, nachdem sie zuvor im Mai noch fast kometenhaft angestiegen waren. Offensichtlich entschieden mehr Anleger, Gewinne mitzunehmen, während Silber die 19 USD-, 20 USD und schließlich auch noch die 21 USD-Marke durchbrach, als ihre Bestände aufzustocken.
Durch den Auftrieb von Gold und Silber wurden all die Händler von „heißem Geld“, die wie besessen gegen Edelmetall wetteten, schwer getroffen… woraufhin sie alle die entgegengesetzte Position einnahmen – und auch das in einem Rekordtempo.
Die Frage, die sich für Investoren nun stellt, ist, ob noch genug Geld übrig ist, um nun noch durch kurzfristige bullische Wetten zu profitieren.
Jeden Freitag nach Schließung des Terminmarktes in New York veröffentlicht die US-Aufsichtsbehörde, wie Händler am vorigen Dienstag positioniert waren. Indem man die Änderungen nachverfolgt, kann man erkennen, was das „große Geld“ momentan so denkt (sofern Geld überhaupt denken kann).
Auf der einen Seite stehen die „Kommerziellen“ wie Hersteller und Händler, die vom Verkauf ihrer Produkte leben. Auf der anderen Seite stehen die „Spekulanten“, also Geldmarktfonds, die versuchen, Gewinne zu machen, indem sie darauf wetten, welche Richtung die Preise einschlagen werden.
Zu Beginn des Vormonats waren die Wetten gegen einen steigenden Silberpreis so hoch wie niemals zuvor. Betrachtet man die Spekulanten insgesamt, so wurden die ersten Netto-Short-Positionen von Silber (also die bullischen minus bärischen Wetten) seit 11 Jahren verzeichnet.
Aus technischer Sicht macht das Sinn. Die Silberpreise, ebenso wie die von Gold, bewegten sich innerhalb einer engen Spanne. Höhere Tiefs und niedrigere Hochs bildeten eine Dreiecksform. Technische Analysten, die sich mit Chart-Mustern beschäftigen, gingen davon aus, dass Silber bald entweder extrem in die Höhe schießen oder aber drastisch abstürzen würde. Aber dann rückte Janet Yellen damit raus, dass die Leitzinsen womöglich nicht so schnell wie erwartet erhöht werden würden… und Edelmetall bewegte sich genau dahin, wo es die bärischen Spekulanten nicht haben wollten.
Im Juni vollzog sich dann der extremste Wechsel bei Wetten auf Silber, der bislang verzeichnet wurde. Die sogenannten Netto-Long-Positionen nahmen um 150% zu und erreichten einen Wert von über 2 Mrd. Dollar. Und mit steigenden Preisen wuchsen sie schneller als jemals zuvor seit mindestens 1986.
Die Gold-Wetten verliefen in der Woche bis zum vergangenen Dienstag ebenso dramatisch. In einem noch schnelleren Tempo als im Januar 2012 stiegen die bullischen Wetten um insgesamt 7,3 Mrd. USD. Dieser Sprung wurde lediglich Mitte Juli 2011 übertroffen, als die Abstufung der US-Bonität und die Schuldenkrise in der Eurozone zu einem Allzeithoch der Goldpreise führte.
Insgesamt flossen an der US-Terminbörse Comex im Juni 2014 zusätzliche 13 Mrd. USD in die Wetten auf steigende Gold- und Silberpreise. Es war also so, wie wir bereits in der vergangenen Woche auf Bloomberg verkündeten, dass „heißes Geld“ sehr schnell die Seiten wechselt.
Dies sind willkommene Nachrichten für alle Anleger, die in physisches Silber investierten, und bringen ihnen in diesem Sommer ordentliche Gewinne ein.
Aber wie geht es nun weiter?
- Die Volatilität der Silberpreise ist sprunghaft angestiegen, nachdem sie sich Anfang Juni noch auf einem 7-Jahrestief befand. Aber Optionsverträge werden immer noch vergleichsweise günstig erscheinen für Spekulanten, die auf der Suche nach Kursbewegungen sind. Denn momentan geht es überall auf den Finanzmärkten eher langweilig zu. Allein deswegen mag es reizvoll für sie sein, die Silberpreise nach oben zu treiben.
- Die Nachfrage aus der Industrie ist ungebrochen. Aufgrund der Nachfrage nach Silberware könnte die Nachfrage in diesem Jahr zum ersten Mal seit 2011 der Fördermenge der Silberminen entsprechen. Und laut Prognose der französischen Investmentbank Societe Generale wird das Minenangebot ab 2015 an gleich bleiben.
- Unterdessen bleiben die Investitionen in physisches Edelmetall stark. Allen Unkenrufen von Branchenexperten zum Trotz stocken Privatanleger weiterhin ihre Bestände auf. Aber Händler von Gold-ETFs sind ebenso wenig gegen das Interesse an Gewinnen gefeit wie BullionVault-Benutzer. So hat der größte Goldfonds, SPDR Gold Trust, seit 22. Juni mit 140 Tonnen einen Zuwachs von 1,3% verzeichnet.
Und mit einem 14%igen Anstieg bei Silber – warum auch nicht?
Unterm Strich ist Silber volatil genug - auch ohne dass man sich Geld borgen muss, um damit auf den Options- oder Terminmärkten zu spielen und dadurch die Möglichkeit von sowohl lukrativen Gewinnen als auch schmerzlichen Verlusten erhöht. Denn das sind die Risiken, wenn man nicht gleich den Gesamtpreis zahlt. 14% ergeben so oder so eine stattliche Summe. Von daher sollte man es den Hedgefonds überlassen abzustürzen, falls sie es unbedingt wollen.
Ob zurzeit eher Investitionen in Gold oder Silber zu empfehlen sind, ist schwer zu sagen. Aber wann immer sich Silber in die gleiche Richtung wie Gold bewegt (was seit 1968 zu 75% der Fall war), bewegt sich Silber für gewöhnlich meist um einiges schneller.
Und man sollte bedenken, dass dies bei beiden Richtungen zutrifft – bei Anstiegen ebenso wie bei Rückgängen.
Artikel übersetzt und bearbeitet von Steffen Grosshauser.