Gold horten gegen den Westen
Russland kauft Gold, als gäbe es kein Morgen. Damit ist es nicht allein. Weltweit schmelzen Staaten Devisenreserven ab. Vor allem in Dollar. Doch die Zukunft des Goldes entscheidet vor allem ein Land. Von Holger Zschäpitz von "Die Welt".
Nursultan Nasarbajew setzt alles auf die Karte Gold. Kasachstans Präsident, der sich gerade mit 97,7 Prozent der Stimmen im Amt wiederwählen ließ, befindet sich regelrecht in einem Kaufrausch. Obwohl die rohstoffreiche Ex-Sowjetrepublik wegen der gefallenen Ölpreise in der Krise steckt und die nationale Währung Tenge schwächelt, hat Nasarbajew im März den 30. Monat in Folge die Goldreserven ausgebaut. Inzwischen ist der Edelmetallhort des Landes auf gut 198 Tonnen angeschwollen, rund 27 Prozent des Staatsschatzes sind mit Gold gedeckt.
Nicht nur Kasachstans Staatschef hat die Edelmetallreserven seines Landes kräftig aufgestockt. Nach Daten des Internationalen Währungsfonds (IWF) haben die globalen Zentralbanken im März netto rund 33 Tonnen Gold gekauft. Damit horten alle Länder der Welt knapp 29.000 Tonnen, so viel wie seit dem Jahr 2002 nicht mehr.
Das ist insofern bemerkenswert, als gleichzeitig die globalen Devisenreserven kräftig schrumpfen. Sie sind zuletzt auf 11,5 Billionen Dollar gefallen. Das sind 500 Milliarden weniger als noch im Sommer 2014.
Erinnerungen an die Finanzkrise 2008 werden wach
Einen solchen Rückgang gab es in der jüngeren Wirtschaftsgeschichte nur einmal – während der Finanzkrise 2008. Damals musste die Staatengemeinschaft eine echte Kernschmelze stoppen. Doch heute gibt es keine weltweite Krise. Stattdessen scheinen viele Länder ihre Reserven umzuschichten, raus aus dem Dollar und rein ins Gold.
Am aggressivsten geht dabei offensichtlich Russland vor. Allein im März hat der Kreml seine Goldreserven um gut 30 Tonnen aufgestockt. Das waren die stärksten Zukäufe seit September vergangenen Jahres. Damals spitzte sich der Ukraine-Konflikt zwischen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und dem Westen dramatisch zu.
Seit 2005 hat das Land seine Goldreserven mehr als verdreifacht. Allein in den vergangenen 15 Monaten vergrößerte der Kreml seinen Besitz um 200 Tonnen, seit der Krimkrise im Februar 2014 wurde das Tempo deutlich verschärft. Mit insgesamt 1238 Tonnen hält Russland nunmehr die fünftgrößten Reserven des Edelmetalls weltweit. Nur die USA, Deutschland, Italien und Frankreich horten noch mehr Gold.
"Viele Notenbanken wollen ihre Devisenreserven diversifizieren, also breiter streuen. Gold dient schlicht der Glaubwürdigkeit", sagt Ronald Stöferle, Fondsmanager bei Incrementum in Liechtenstein. Die Notenbanken, auch im Westen, würden nicht umsonst einen Großteil ihrer Währungsreserven in Gold halten. "Gold ist das monetäre Rückgrat für jede Währung", sagt Stöferle.
Gerade Russland macht deutlich, dass es bei den Goldkäufen nicht allein um eine Risikostreuung und eine stärkere Glaubwürdigkeit für die eigene Währung geht, sondern es sich bei den Umschichtungen um ein Statement gegen den Westen und die Weltleitwährung Dollar handelt.
So sind Russlands reine Devisenreserven – also der Staatsschatz ohne Gold – seit Ausbruch der Krim-Krise um mehr als 100 Milliarden Dollar auf 300 Milliarden Dollar abgeschmolzen. Gleichzeitig ist der Wert des Edelmetallhorts vor allem wegen der aggressiven Zukäufe auf 47 Milliarden Dollar gestiegen.
Moskau will unabhängiger vom Dollar werden
Durch die gegenläufige Entwicklung beträgt der Goldanteil am russischen Staatsschatz rund 14 Prozent. Das liegt deutlich über jenen zehn Prozent, die viele Schwellenländer und auch Russland noch vor dem Ukraine-Konflikt als Ziel ausgegeben hatten.
Beobachter vermuten hinter den Goldkäufen einen anderen Plan. Der Kreml wolle sich unabhängiger vom Dollar machen und auch im Fall, dass die Sanktionen über den Sommer verlängert werden, seinen finanziellen Spielraum behalten. Gold fungiert als weltweit anerkannte Währung und ist damit eine Alternative zum dominanten Dollar.
Dazu passt, dass Moskau das Gros seiner amerikanischen Staatsanleihen abgestoßen hat. Hielt Russland noch im Januar 2014 US-Schuldtitel im Volumen von 140 Milliarden Dollar, haben sich die Bestände auf unter 70 Milliarden mehr als halbiert.
"Der Zugriff auf die US-Staatsanleihen kann bei einer Verschärfung der Sanktionen jederzeit eingefroren werden, bei Gold kommt es darauf an, wo das Edelmetall gelagert ist", sagt Axel Merk vom Anlagehaus Merk Investments.
Andere ehemalige Sowjetrepubliken haben sich dem großen Bruder angeschlossen. So hat das finanziell klamme Weißrussland seine Edelmetallbestände im März um drei auf 44,5 Tonnen aufgestockt.
Goldpreis kann noch nicht von Neuausrichtung profitieren
Noch sind die Umschichtungen der Devisenreserven freilich kein Problem für die Dominanz des Dollar. Gemessen am Dollar-Index, der den Wert gegenüber den wichtigsten Konkurrenzwährungen misst, hat der Greenback seit Jahresanfang gut sechs Prozent zugelegt. Allerdings notierte er vor wenigen Wochen noch deutlich höher.
Gleichzeitig konnte auch der Goldpreis noch nicht wirklich von der Neuausrichtung der Devisenreserven profitieren. Seit Jahresanfang hat das Edelmetall gerade mal 2,4 Prozent zugelegt.
Doch das könnte sich ändern, sollte China den Russen folgen und seine billionenschweren Devisenreserven vom Dollar ins Gold umschichten. Aktuell hält Peking nach offiziellen IWF-Zahlen gerade mal 1054 Tonnen. Damit sind lediglich rund ein Prozent des Staatsschatzes mit Gold gedeckt.
China kann den Gold- und Dollar-Kurs maßgeblich beeinflussen
Weitet das Reich der Mitte die Quote etwa auf fünf Prozent aus, müsste die People's Bank of China nach Berechnungen der Deutschen Bank rund 3700 Tonnen zukaufen. Damit würde China hinter den USA zum zweitgrößten Halter von Gold aufsteigen.
1993 lag das Land noch auf Rang 14. Ähnlich wie Moskau hat auch Peking bereits einen Teil seiner US-Staatspapiere abgestoßen – im Volumen von immerhin 100 Milliarden Dollar. Und glaubt man dem Datenanbieter Bloomberg Intelligence, haben die Chinesen schon längst damit begonnen, ihre Goldreserven still und heimlich aufzubauen.