Anleger wollen sichere Goldanlage
Trotz eines sinkenden Goldpreises hat sich an der Börse Stuttgart die Zahl der Kaufaufträge vervierfacht. Privatanleger haben einen Wunsch: Sie wollen ihr Investment jederzeit in physisches Gold umtauschen können, schreiben Regine Palm und Martin Buchenau von der Wirtschaftswoche.
Gold ist seit jeher eine Anlage gegen Krisen und in Krisenzeiten. Krisen in der Ukraine, Terror im Nahen Osten oder Proteste in Hongkong müssten sich eigentlich positiv auf den aktuellen Goldpreis auswirken. Tun sie aber nicht. Vor drei Jahren lag der Goldpreis über 1900 Dollar je Feinunze. Jetzt ist die große Gretchenfrage auf dem Goldmarkt: Sinkt der Preis auf unter 1200 US-Dollar je Feinunze oder hält die Widerstandslinie gegen eine weiteres Abrutschen des Goldpreises?
Nach Daten des World Gold Councils sank die Nachfrage im zweiten Quartal dieses Jahres um 16 Prozent auf 964 Tonnen gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum. Die Zahlen vom dritten Quartal sind noch nicht verfügbar. Der World Gold Council ist die Interessenvertretung der Goldminenindustrie.
„Ich rechne mit einer Seitwärtsbewegung. Erst im zweiten Halbjahr 2015 wird Goldpreis wieder steigen“, sagt LBBW-Edelmetallanalyst Thorsten Proettel und rechnet erst Ende kommenden Jahres wieder mit einem Preisniveau von 1350 Dollar. „Da das Edelmetall aktuell nahe der Marke von 1200 US-Dollar pro Unze gehandelt wird und damit nahe an den Grenzkosten in der Produktion, scheinen Investoren nicht mehr an einen weiteren Preisverlust zu glauben“, sagt Bernhard Wenger, Head of European Distribution bei ETF Securities.
Er sieht damit einen Boden beim Goldpreis erreicht. Die Institutionellen Anleger sind ohnehin schon aus der Goldanlage rausgegangen. LBBW-Analyst Proettel empfiehlt Privatanlegern allerdings nicht mit Gold unter Renditegesichtspunkten zu spekulieren, sondern nur als Absicherung fürs Depot. Ein Gold-Boom wie in der Finanz- und Eurokrise, als sich der Wert des Edelmetalls versiebenfachte, werde sich so schnell nicht wiederholen.
Der dauerhafte Niedrigzins in Europa macht Gold, das ja für Anleger keine Zinsen abwirft, als Anlage für Privatanleger attraktiver. Trotz sinkendem Goldpreis scheint die Nachfrage vor allem in Deutschland anzuziehen. Die Börse Stuttgart hatte vor zwei Jahren ein so genanntes Exchange Traded Commodity (ETC) mit dem Namen Euwax Gold aufgelegt. Obwohl der Goldpreis seither dramatisch verfiel, kauften die Anleger die Goldpapiere.
„Wir haben einen permanenten Mittelzufluss. Die Zahl der Order hat sich vervierfacht“, sagt Rupertus Rothenhäuser, Geschäftsführer der Börse Stuttgart Securitas GmbH. Der durchschnittliche Anleger kauft Gold Papiere für 3500 bis 4000 Euro. Dafür gibt es einen einfachen Grund. Der Wert entspricht derzeit ungefähr 100 Gramm.
Steigender Dollar belastet
Ab 100 Gramm kann der Anleger von der Börse verlangen, das Papier in Gold zu tauschen. Die Anleger haben den Vorteil, dass sie vor dem Umtausch nicht für Lagerung und Versicherung aufkommen müssen. Allerdings zahlen sie vorher einen höheren Aufschlag. Die Börse Stuttgart muss wegen der Umtauschgarantie derzeit 2,63 Tonnen Gold vorhalten.
LBBW-Analyst Proettel macht für das derzeit noch niedrige Preisniveau vor allem die konjunkturelle Erholung nach der Eurokrise verantwortlich. Auch die Garantie von EZB-Chef Mario Draghi, den Euroraum in jedem Fall zusammenzuhalten, habe dafür gesorgt, dass die Nachfrage nach der Krisenanlage Gold nachgelassen hat, weil die Anleger nicht mehr an den Zusammenbruch einer Euro-Währung glauben.
Als zweiten Faktor nennt der Analyst die deutlich abgeschwächte Nachfrage aus China und Indien. Beide Länder vereinen auf sich über 50 Prozent der weltweiten Schmuckgoldnachfrage auf sich. Indien hat Goldimporte mit Strafzöllen von über zehn Prozent belegt und die Importe nahezu lahm gelegt. Auch in China macht sich die Abschwächung des Wachstums bei der Nachfrage nach Gold bemerkbar. Als weiteren belastenden Faktor hat Proettel die hohe Produktion und den starken Dollar ausgemacht, der den Ankauf aus Euroländern verteure.
„Der erstarkende US-Dollar, die Erwartung steigender Zinsen, sinkende Kreditausfallsorgen und ausbleibende Inflationssorgen“, macht auch der Frankfurter Goldhändler Degussa in ihrem aktuellen Report vier Hauptgründe für den anhaltend schwachen Goldpreis verantwortlich. Der US-Dollar ist die Weltreservewährung. Schwächt sich ihr Außenwert ab, so dient Gold den Investoren als „sicherer Hafen“.
Steigt der US-Dollar auf, sinkt das Interesse an Gold zu Versicherungszwecken. Die Aussicht, die amerikanischen Zinsen könnten bald wieder steigen, hat die Goldnachfrage ebenfalls gedämpft – und hat zu einem tieferen Goldpreis geführt. Denn steigen die Zinsen, wird die Anlage in Gold, das ja keine Zinsen abwirft, weniger lohnend.