Also gut, dann sprechen wir eben über diese Uhr
Nach dem Streifenkleid, das unterschiedliche Farbwahrnehmungen hervorrief, ist das Internet nun voll mit Beiträgen zu „dieser Uhr“, schreibt Adrian Ash von BullionVault.
„Haben Sie keine Meinung zu der goldenen Apple Watch?“, fragte mich erst gestern wieder ein Journalist.
Nun ja, mir fielen spontan viele Sachen zu dieser Uhr ein. Allerdings nichts, was in einer Zeitung gedruckt werden könnte.
Und zwar weil diese Euphorie um dieses neue Apple-Produkt völlig übertrieben ist und nur von Ereignissen ablenkt, über die es sich wirklich nachzudenken lohnt.
Wenn sich also jemand unbedingt die Zeit nehmen und die Kollektion „Edition“ mit dem Grundmodell vergleichen möchte, so stellt er fest, dass jedes dieser Sondermodelle ungefähr 1 Feinunze Gold enthalten soll.
Das ist gerade einmal die Hälfte, was offensichtlich eine goldene Rolex hat. Und im Gegensatz zu einer Rolex – von der man sagt, sie sei für die Ewigkeit gemacht – wird die Software der Apple Watch vermutlich in zwölf Monaten schon wieder veraltet sein.
Was den Goldgehalt der „Edition“ betrifft, so ist er in bar auch deutlich weniger wert als der aktuelle Spotpreis für eine Feinunze Gold von 1160 USD. Denn bei der Rückgewinnung des Altgolds – vor allem aufgrund Apples speziell entwickelter Legierung, die mit 18 Karat besonders hart sein soll - entstehen Kosten für das Recycling.
Wie man im Wall Street Journal und in Apple-besessenen Chatrooms lesen konnte, möchte das Unternehmen pro Monat 1 Million dieser Uhren herstellen, was Gerüchten zufolge Apples Betriebskosten um 10% erhöhen würde.
Noch unglaublicher klingt allerdings, dass der Verkauf dieser Anzahl von Golduhren bei Apple für zusätzliche Einnahmen von 10 Milliarden USD sorgen soll… und das Monat für Monat. Dies wäre eine 68-prozentige Umsatzsteigerung gegenüber Apples weltweiten Verkäufen in 2014.
Und bereits dabei handelte es sich um die fettesten Gewinne, die jemals erzielt wurden. Denn im Gegensatz zu Unternehmen wie Amazon entscheidet dies bei Apple wirklich darüber, was unterm Strich rauskommt.
Viele Technik-Bewanderte und Gadget-Fans denken, dass Apples Design-Chef Jony Ives übers Wasser laufen kann. Aber den Dollarpreis für Gold durch den Verkauf von Golduhren wieder aufleben zu lassen würde einem wirklichen Wunder gleichen.
Vielleicht versucht Apple damit auch nur, Luxusmarken nachzuäffen, deren völlig überteuerter und unbezahlbarer Klunker auf dem Laufsteg dazu beiträgt, auch den Verkauf von günstigeren und meist deutlich nützlicheren Produkten anzukurbeln. Was Lippenstift und Parfüm für Chanel darstellen, sind bei Apple Sportuhren und flache Laptops.
Aber selbst falls Apples eigene Umsatzprognosen nicht so schwachsinnig sind wie all diese Gerüchte in Chat-Foren, so ist eine neue Uhr für umgerechnet mindestens 10.000 Dollar im besten Fall eine kleine Nische im Luxussegment.
Etwas für solche Technik-Freaks, die viel Geld aus dem Fenster schmeißen können und keinerlei Wert darauf legen, die Ausgaben später wiedererlangen, das Produkt als Sicherheit verwenden oder es irgendwann weitervererben zu können.
Auch werden sie nicht lange vor ihren Freunden damit angeben können (was bei einer Rolex wohl auch eher möglich ist). Vermutlich werden in zwölf Monaten sogar nicht wenige über die dann bereits veraltete Technik lachen, so wie mich jetzt meine Kinder wegen meines alten, abgenutzten iPhones aufziehen.
Aber zumindest lachen sie mich nicht deswegen aus, dass ich 10.000 USD für etwas ausgegeben habe, dass in dem Moment, in dem ich den Laden verlasse, bereits mindestens 90% seines Wertes verloren hat. Nur wenig Menschen sind dermaßen reich (oder dumm), um so etwas zu tun. Und das sind bei weitem nicht genug, um einen Einfluss auf den Goldmarkt auszuüben. Dieser wird nämlich von Investoren bestimmt, die zu den niedrigsten Kosten den höchstmöglichen Wert ergattern möchten – und nicht umgekehrt.