Gold erlebt „Kapitulationsphase der Privatanleger“
Trotz handels- und geopolitischer Risiken fällt Gold unter 1200 Dollar. Privatanleger werfen offenbar zunehmend das Handtuch. Spannung verspricht auch die Positionierung spekulativer Investoren – und ein Aufruf Erdogans, schreibt Michael Höfling.
Es wäre kein Wunder, wenn Anleger langsam den Glauben an Gold als Investment verlören: In der westlichen Welt wird im Kampf gegen die Überschuldung und für stärkeres Wirtschaftswachstum seit Jahren Geld gedruckt, was das Zeug hält, die offiziell niedrige Inflation blendet aus, dass die Preise für Vermögenswerte wie Aktien und Immobilien rasant gestiegen sind, und die Risiken handels- und geopolitischer Art nehmen zu. In früheren Zeiten wäre Gold in einer solchen Gemengelage von Investoren umgehend als der sichere Hafen angesteuert worden, als der das Edelmetall stets galt.
Und heute? Muss der Goldpreis sogar die psychologisch wichtige Marke von 1200 Dollar pro Feinunze (31,1 Gramm) preisgeben. Einer der Gründe könnte der Aufruf des türkischen Präsidenten Erdogan an seine Landsleute sein, Gold und Devisen gegen türkische Lira zu tauschen, um die Währung des Landes zu stabilisieren. Auf Dollar-Basis hat der Goldpreis seit Jahresbeginn rund sieben Prozent eingebüßt. Da sich Gold in der Regel zum Dollar wie eine Währung verhält, fiel das Minus in Euro gerechnet mit drei Prozent etwas geringer aus.
Und da all die Punkte, die das Gold normalerweise im Wert steigen lassen, den Preis kaum mehr nennenswert zu bewegen scheinen, gibt es in der Tat Anzeichen für einen Ausverkauf unter Goldanhängern. „Wir kaufen zurzeit nicht unerhebliche Mengen an Kapitalanlage-Goldmünzen aus den USA auf“, berichtet etwa Robert Hartmann, Mitgründer und Geschäftsführer des Edelmetall-Handelshauses proAurum. Er spricht von einer „Kapitulationsphase der Privatanleger“.
Doch auch viele Anlageprofis können die Entwicklung offenbar nicht mehr nachvollziehen. „Warum Gold in Euro gerechnet auf einem Zweieinhalb-Jahrestief notiert, erschließt sich uns nicht mehr“, schreiben etwa die Rohstoffanalysten der Commerzbank mit Blick auf die jüngsten Inflationsdaten aus der Euro-Zone, aus denen sich ein negativer Realzins von 2,5 Prozent ergibt – eine Situation, in der Gold seiner Eigenschaft als wertstabiler Anlage eigentlich gerecht wird.
Der Terminmarkt macht Hoffnung
Häufig allerdings folgen auf irrationale Ausverkäufe, die eine Übertreibung des Preisverfalls bewirken, Gegenbewegungen zu einem objektiv realistischeren Marktpreis. Diese Hoffnung scheint beim Gold nicht ganz aus der Luft gegriffen.
Einer der Hauptgründe für verhaltenen Optimismus könnte die Lage am Terminmarkt sein. Seit Ende Dezember haben große Spekulanten die Zahl ihrer Wetten auf einen fallenden Goldpreis um über 105.000 Kontrakte erhöht. Diese negative Haltung zu Gold hat dazu geführt, dass die Wetten der Spekulanten auf steigende Preise (Netto-Long-Positionen) binnen sieben Monaten von 135.900 auf 48.600 Kontrakte gefallen sind. Das ist der niedrigste Stand seit zweieinhalb Jahren. In der Vergangenheit folgten auf vergleichbare Eindeckungen großer Terminspekulanten häufig kräftigere Erholungsphasen beim Goldpreis. Ausgelöst wurden diese Rallyes stets dadurch, dass Spekulanten durch eine unerwartete Verteuerung des Goldpreises zum Begrenzen ihrer Verluste gezwungen wurden. Marktexperten sprechen von einem „short squeeze“.
Auch bei den für den Goldpreis wichtigen Beständen börsengehandelter Indexfonds (ETF) gibt es Hoffnung auf Bodenbildung. Nachdem die Investoren über Monate Anteile auf den Markt geworfen hatten, verringerten sich die Goldbestände der ETFs per Ende Juli um nur noch 39 Tonnen, das verwaltete Vermögen der Fonds sank dadurch nochmals um vier Prozent.
Unter Vermögensverwaltern hat sich seit der Finanzkrise der Konsens herausgebildet, dass ein Anteil von zehn Prozent Gold am liquiden Vermögen zur Diversifizierung der Geldanlage beiträgt.