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Geringes Interesse an Gold – niedrigste Nachfrage seit neun Jahren

Abflüsse bei Indexfonds in den USA drücken die globalen Preise des Edelmetalls. Doch Analysten rechnen mit einer baldigen Trendwende, schreibt Jakob Blume vom Handelsblatt.

Es ist der niedrigste Wert seit der Finanzkrise: Rund 1.960 Tonnen Gold haben Investoren, Händler und Zentralbanken im ersten Halbjahr 2018 am globalen Markt nachgefragt – so wenig wie seit 2009 nicht mehr.

Das hat das World Gold Council (WGC) am Donnerstagmorgen bekanntgegeben. Auch der Goldpreis kommt seit Wochen nicht vom Fleck: Am Mittwochnachmittag notierte er nahe dem Jahrestief bei rund 1.223 Dollar je Feinunze (rund 31 Gramm).

Der Hauptgrund für die schwache Nachfrage nach dem Edelmetall: Weniger Anleger investierten in sogenannte Gold-EFTs, Indexfonds, die durch physisches Gold gedeckt sind. Die Fonds sammeln Anlegergeld ein und hinterlegen für jeden Fondsanteil eine bestimmte Menge des Edelmetalls. Je weniger Anleger hier investieren, desto geringer ist die Goldnachfrage der Fondsgesellschaften.

So kauften im zweiten Quartal 2018 Fonds den WGC-Zahlen zufolge nur noch 33,8 Tonnen Gold an. Im Vorjahreszeitraum waren es noch 62,5 Tonnen. Der Rückgang beträgt 46 Prozent.

WGC-Analyst John Mulligan sagte dem Handelsblatt, dass besonders Mittelabflüsse bei großen US-amerikanischen Gold-ETFs im Mai und Juni die Nachfrage gedrückt hätten: „Der starke Dollar ist der Schlüssel.“ Professionelle Investoren versuchten, kurzfristig von den hohen Renditen am Aktien- und Bondmarkt zu profitieren.

„Der Dollar spiegelt das gute Investitionsklima in den USA wider“, so Mulligan. Auch Commerzbank-Analyst Carsten Fritsch bestätigt: „Ein Grund für die Abflüsse aus amerikanischen Gold-ETFs ist, dass die US-Aktienmärkte zuletzt deutlich besser gelaufen sind.“ Viele Großanleger hätten von Gold in Aktien umgeschichtet.

Hinzu kommt: Der starke Dollar belastet den Goldankauf der Schmuckindustrie in Ländern mit schwacher Währung. So zeigen die WGC-Zahlen, dass die Goldimporte etwa in der Türkei oder Indien deutlich eingebrochen sind.

Neben der schwächelnden Nachfrage sorgt auch die Goldproduktion für Preisdruck; sie liegt nahe dem Rekordniveau. Das Angebot auf dem Weltmarkt stieg im zweiten Quartal um vier Prozent auf 1.120 Tonnen. Das entspricht dem zweithöchsten Halbjahreswert der WGC-Statistik. Insbesondere Kanada, Indonesien und Russland steigerten ihre Produktion zweistellig.
Spekulative Investoren wetten auf weiteren Goldpreisverfall

WGC-Analyst Mulligan erwartet nicht, dass von der Angebotsseite kurzfristig Impulse für den Goldpreis ausgehen. „Die große Frage ist eher: Wann ändert sich die Wahrnehmung der Investoren, was die Risiken für die Weltwirtschaft angeht?“ Befürchten Anleger eine Rezession, dann könnte besonders in den USA wieder mehr Geld in Gold-ETFs fließen und die Nachfrage nach der Krisenwährung antreiben.

Bislang sieht es auf kurze Sicht nicht danach aus: Spekulative Investoren wetten so stark wie nie auf einen weiteren Goldpreisverfall. Commerzbank-Analyst Fritsch sagt: „Einen so großen Pessimismus bei den Spekulanten haben wir noch nicht gesehen.“

Aus seiner Sicht spricht die Positionierung der Profianleger jedoch eher für einen Preisanstieg in den kommenden Monaten. „Es kann gut sein, dass das noch ein paar Wochen so weitergeht. Aber es braucht nicht viel, um einen Stimmungsumschwung auszulösen“, glaubt Fritsch.

Zuletzt hätten die Spekulanten Ende 2015, Anfang 2016 ähnlich stark gegen den Goldpreis gewettet. „Danach ist der Goldpreis innerhalb von sechs Monaten um 300 Dollar gestiegen.“ Aus seiner Sicht spricht auch im aktuellen Marktumfeld viel für Gold: Der negative Einlagenzins der Europäischen Zentralbank (EZB) und die Inflationsrate von derzeit rund zwei Prozent sorgten für deutlich negative Realzinsen.

„Normalerweise sind das Zeiten, in denen Gold haussieren müsste“, erklärt Fritsch. Besonders den in Euro gerechneten Goldpreis hält er für extrem günstig. „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir in Europa beim Goldpreis die Wende sehen.“
Günstiger Einstieg

Dieser Meinung schließen sich immer mehr Analysten an. So setzt beispielsweise Nicholas Johnson, Portfoliomanager beim Vermögensverwalter Pimco, den Goldpreis ins Verhältnis zur realen Verzinsung von zehnjährigen US-Staatsanleihen. Zwar kletterte die Rendite der Treasuries zuletzt auf knapp unter drei Prozent. Doch auch die US-Inflation stieg im Mai auf 2,8 Prozent. Damit frisst der Kaufkraftverlust den Zinsertrag der Staatsanleihen fast vollständig auf.

Fallende Goldpreise bei stagnierenden Realzinsen bedeuten, dass sich Gold im Vergleich zu US-Staatsanleihen verbilligt, schreibt Johnson in einer Studie. „Aus unserer Sicht zeigen die Bewegungen beim Goldpreis, dass Investoren dem starken Dollar einen zu starken Stellenwert einräumen und zu wenig auf die Realzinsen achten.“

Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch Russ Koesterich, Portfoliomanager beim US-Vermögensverwalter Blackrock. Er argumentiert, dass sich Gold langfristig im Einklang mit der Geldmenge der US-Notenbank Fed entwickele. Steige die Geldmenge, sei in der Vergangenheit auch der Goldpreis um den gleichen Prozentsatz gestiegen.

Doch aktuell habe sich das Verhältnis umgekehrt: Der Goldpreis falle, während die Geldmenge weiter steige, so Koesterich. „Das spricht dafür, dass Gold derzeit vergleichsweise günstig erscheint.“

Das Handelsblatt ist eine täglich erscheinende Wirtschafts- und Finanzzeitung in deutscher Sprache.

Hinweis: Der Inhalt dieser Webseite ist dazu gedacht, den Leser zum Nachdenken über wirtschaftliche Themen und Ereignissen anzuregen. Aber nur Sie selbst können entscheiden, wie Sie Ihr Geld anlegen und tragen die alleinige Verantwortung hierfür. Informationen und Daten können zudem durch aktuelle Ereignisse bereits überholt sein und sollten durch eine zusätzliche Quelle bestätigt werden, bevor Sie investieren.

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