Gold News

Das Geheimnis hinter dem großen Gold-Comeback

Spekulanten hatten mit fallenden Goldpreisen gerechnet. Doch das gelbe Metall ist die bisher die Top-Geldanlage des Jahres. Nun wetten alle auf steigende Kurse. Dafür gibt es gute Gründe, schreibt Holger Zschäpitz von der Welt.

Wenn die führenden Notenbanker wissen wollen, wie es um ihre Macht und ihr Ansehen bestellt ist, müssen sie nicht große Umfragen unter Finanzmarktakteuren in Auftrag geben. Es reicht ein Blick auf den Goldpreis, und der stellt den Herren des Geldes kein gutes Zeugnis aus.

Die Notierungen für die Feinunze steigen und steigen, und scheinbar nichts kann sie stoppen. Weder die optimistischeren Aktienmärkte noch die robusten US-Konjunkturdaten. Gold ist so etwas wie das Antipapiergeld der Notenbanken. Steigt der Unzenpreis, signalisiert das wachsendes Misstrauen in das Wirken der Geldhüter.

Das gelbe Edelmetall verzeichnet einen regelrechten Ansturm ganz verschiedener Investorengruppen. Goldhändler und Banken beobachten eine starke Nachfrage durch private Sparer. Goldindexfonds registrieren heftige Zuflüsse durch institutionelle Anleger.

Die Bestände in den mit Gold gedeckten Vehikeln haben den höchsten Wert seit Juli 2014 erreicht. Gleichzeitig haben die agilen Hedgefondsmanager ihre Wetten auf steigende Notierungen die zehnte Woche in Folge deutlich ausgeweitet, nach Angaben des Finanzdienstes Bloomberg die längste spekulative Kaufwelle seit dem Jahr 2012.

"Gold ist die größte Geschichte der Finanzmärkte in diesem Jahr", sagt Dan Denbow, Portfoliomanager bei USAA Asset Management. Noch im vergangenen Jahr sei das Edelmetall verspottet worden als barbarisches Relikt, das keiner mehr beachtet hat. "Jetzt greifen die Investoren wieder zu." Er sieht starke Zuflüsse von US-Investoren, die sich gegen die Folgen der globalen Liquiditätsschwemme der Notenbanken absichern wollten. "Die Goldrallye dürfte anhalten, aber mit starken Schwankungen", sagt Denbow.

Negativzinspolitik wirkt wie ein Konjunkturprogramm für Gold

Schon jetzt ist Gold die beste Anlageklasse in diesem Jahr. Seit Januar haben die Notierungen um 18 Prozent zugelegt und damit sowohl Anleihen als auch Aktien geschlagen. Mit Hochzinsbonds liegen Anleger im Schnitt drei Prozent im Plus, mit Staatsanleihen rund zwei Prozent. Aktien notieren dagegen unter Wasser. Der breite Index MSCI World liegt zwei Prozent unter dem Stand von Ende Dezember, der Deutsche Aktienindex Dax sogar rund sieben Prozent.

"Die Goldrallye hat einen fundamentalen Unterbau, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass die Notenbanken das globale Wachstumsproblem schnell lösen können", meint John Stephenson, Chef der Investmentgesellschaft Stephenson & Co Capital Management der Finanzagentur Bloomberg. "Was die Investoren umtreibt, ist die Unsicherheit rund um die Geldpolitik, vor allem die Minuszinsen sind ein Thema. In diesem Umfeld ist Gold äußerst attraktiv."

Tatsächlich wirkt die Negativzinspolitik der Notenbanken wie ein Konjunkturprogramm für Gold. Dadurch werden für die Sparer Guthaben auf Konten tendenziell zu einem Kostenfaktor statt wie bisher zu Einnahmequellen. Sie müssen entweder hohe Kontoführungsgebühren zahlen oder werden sogar direkt für hohe Bargeldbeträge zur Kasse gebeten. Gold verliert so seinen strukturellen Nachteil der mangelnden Verzinsung gegenüber dem Papiergeld. Wer künftig das Bargeld vor den Strafzinsen schützen will, muss genauso Geld für den Safe bezahlen wie für die Deponierung des Edelmetalls.

"Gold wird in der Minuszinswelt relativ betrachtet fast schon zu einer hoch verzinsten Anlage", lästert James Rickards, Portfolio-Manager bei West Shore Capital und Buchautor. Für ihn ist Gold nicht nur als Absicherung gegen die expansive Geldpolitik der Notenbanken attraktiv, sondern auch wegen der steigenden Cyberrisiken.

Gold, das im Tresor deponiert ist, könne kein Internethacker wo auch immer auf der Welt klauen – im Gegenteil zu elektronischem Geld auf dem Konto. "Diese neuen Risiken sprechen für das Edelmetall", sagt Rickards. Auch andere Experten halten das Umfeld wie gemacht für Gold. "Das derzeitige Zeitalter ist geprägt durch die Attribute Angst und Nullzinsen", sagt Axel Merk von Merk Investments.

Spekulanten hatten ein weiteres Minusjahr erwartet

Hedgefonds haben in der vergangenen Woche ihre Wetten um 21 Prozent auf 148.266 Kontrakte ausgeweitet. Das ist der höchste Wert seit Februar 2015. Damals kostete die Unze noch deutlich mehr als 1300 Dollar. Und als die Hedgefonds Ende 2012 so optimistisch wie heute waren, notierte Gold sogar bei 1600 Dollar.

Noch im Januar hatten die Spekulanten auf fallende Goldnotierungen gesetzt. Damals rechneten viele Experten damit, dass beim Gold auf die drei Minusjahre 2013, 2014 und 2015 ein viertes folgt. Und geht es nach den Experten von Goldman Sachs, dürfte das auch passieren.

Deren Rohstoffanalyst Jeffrey Currie rechnet damit, dass Gold schon bald auf 1100 Dollar und auf Jahressicht sogar auf 1000 Dollar je Unze zurückfällt. Die jüngste Rallye sei vor allem von der Vorstellung getrieben worden, dass sich die amerikanische Notenbank mit weiteren Zinsanhebungen zurückhält. "Diese Sichtweise ist nach den jüngsten starken US-Zahlen nicht länger haltbar", schreibt Currie.

Bereits in dieser Woche steht mit der amerikanischen Notenbank der erste Härtetest für die Goldrallye bevor. Die Märkte rechnen damit, dass die Währungshüter in diesem Jahr allenfalls noch einmal die Zinsen anheben. "Goldanleger werden die Notenbanken weiter im Blick behalten", sagt Denbow, der bewusst auf ein Kursziel für das Edelmetall verzichtet: "Es gibt nur eine Anlageklasse, die noch schwieriger als der Goldpreis vorherzusagen ist, und das sind die Ölpreise."

Die Welt ist eine deutsche überregionale Tageszeitung der Axel Springer SE.

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