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Der Goldpreis narrt Experten und Spekulanten

Die Musik spielt an der Börse, heißt es 2014. Gold scheint langweilig, nicht mal Krieg lässt den Preis steigen. Doch während alle Welt auf Aktien und Anleihen starrt, tut sich was beim gelben Metall.

Es geht und drunter und drüber am Goldmarkt. Im wahrsten Sinne. Wie bunte Bänder einen Maibaum umflattern, fliehen die Linien auf dem Bildschirm mal über die Linien des Goldpreises hinaus und tauchen im nächsten Moment unter ihn ab. Viele Investoren, die auf ihre Monitore starren, macht das ganz verrückt.

Normalerweise galten die gelben, grünen und lilafarbenen Linien auf dem Chart als verlässliche Ratgeber, wohin sich das Edelmetall entwickelt. Spekulative Trader nutzen die Bänder – es handelt sich um sogenannte gleitende Durchschnittslinien –, um abzuschätzen, ob Gold eher am unteren Ende seiner Spanne notiert oder am oberen, mit anderen Worten: ob es demnächst hochgeht oder runter.

Doch 2014 scheint sich Gold an keine Regeln zu halten: Nicht an die der Charttechnik noch an die der Fundamentanalyse. Der Preis des gelben Metalls narrt viele Ökonomen und Spekulanten auf ganzer Linie. Das zeichnete sich schon Anfang des Jahres ab. Damals senkten die Experten reihenweise den Daumen für den Rohstoff. Es kam anders. Zwischen Januar und März zog der Preis von 1200 auf fast 1400 Dollar an.

Als sich dann die geopolitischen Konflikte in der Ukraine und in Nahost dann im Sommer zuspitzen, reagierte die "Krisenwährung" wieder untypisch: Manchmal zog der Preis bei schlechten Nachrichten an, manchmal aber auch nicht.

Doch all die Verwirrung betrifft nur die, die kurzfristig Kapital aus den Preisveränderungen schlagen wollen. Für die langfristigen Anleger verspricht 2014 ein ausgesprochen erfolgreiches Jahr zu werden – und das vielleicht gerade deshalb, weil sich kein Hype um das gelbe Metall entwickeln konnte.

"Die Bedeutung von Kriegen für die Goldpreisentwicklung wird weithin überschätzt", sagt Ronald-Peter Stöferle, Ökonom bei der Vermögensverwaltung Incrementum in Liechtenstein. Militärische Auseinandersetzungen könnten kurzfristige Preisausschläge auslösen, nachhaltig sei das jedoch nicht.

"Das Bonmot 'politische Börsen haben kurze Beine' beschreibt die Lage am Gold- und Silbermarkt ziemlich treffend", sagt Thorsten Pröttel, Stratege bei der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW). So schnell wie die Krim-Krise im Februar und Anfang März zu höheren Notierungen geführt habe, so schnell sei der Preis danach wieder abgebröckelt. Auch in anderer Hinsicht rankten sich viele Mythen um die "Angstwährung".

Gold reagiert nicht auf Höhe der Inflation, sondern auf Tendenz

"Es heißt immer, Gold sei ein guter Inflationsschutz", sagt Stöferle, der sich seit mehr als einem Jahrzehnt intensiv mit der Entwicklung der traditionellen Währung beschäftigt und den viel beachteten Edelmetall-Report "In Gold We Trust" (zu Deutsch: Wir glauben an Gold) herausgibt. Das stimme jedoch nur bedingt. Die Wahrheit ist, wie so oft im Leben, komplizierter. "Tatsächlich reagiert der Goldpreis nicht so sehr auf die Höhe der Teuerung, sondern auf die Tendenz."

So erklärt sich der Goldabsturz des Jahres 2013 auch damit, dass sich die Inflationsangst in den Industrieländern relativ abrupt in Luft auflöste. Als die Notenbanken die Märkte in der Finanzkrise mit Liquidität fluteten, griff die Angst um sich, dass die Verbraucherpreise durch die Decke gehen würden.

Vergangenes Jahr verbreitete sich dann die Erkenntnis, dass von den befürchteten Verbraucherpreissteigerungen von vier Prozent und mehr in den USA und Europa keine Rede sein konnte. Im Gegenteil: Die offiziellen Inflationsraten gingen stark zurück, und damit ermäßigte sich auch die Erwartung künftiger Inflation. In den USA stürzte die erwartete Zehnjahresteuerung von 2,6 Prozent per annum auf 1,9 Prozent ab. In Europa war der Einbruch sogar noch dramatischer.

Das Statistische Bundesamt verortete die Veränderung des Verbraucherpreisindexes (die Inflation) in Deutschland zuletzt bei nur noch 0,8 Prozent. In weiten Teilen Europas ist die Teuerungsrate sogar negativ. Die Inflationserwartung für die Euro-Zone hat ein historisches Tief erreicht, worin sich die Befürchtung vieler Akteure manifestiert, dass der Währungsunion eine Dekaden umfassende Stagnation bevorsteht.

Insofern ist die Goldpreisentwicklung des Jahres 2014 durchaus überraschend. Denn der Inflationsschutz hat entgegen den Schwanengesängen vieler Analysten sogar zugelegt: In Dollar gerechnet, steht der Goldpreis heute mehr als acht Prozent höher als zu Jahresanfang. Auf Euro-Basis beträgt das Plus sogar elf Prozent.
 
In einem Jahr, in dem alle Welt über Aktien redet, schlägt das gelbe Metall Dax und Dow Jones. Nach der Beunruhigung um die Ukraine steht das deutsche Börsenbarometer zwei Prozent im Minus, während es der amerikanische Leitindex auf ein Plus von lediglich fünf Prozent bringt.

"In den USA rücken die Inflationstendenzen schon wieder in den Blick", sagt Reinhard Hellmuth, Portfoliomanager bei der ICM InvestmentBank in Berlin. Die Lohn- und Preisentwicklung gebe dort einen anderen Takt vor als in Europa. Tatsächlich haben die amerikanischen Behörden die Teuerung zuletzt bei zwei Prozent verortet. Auch die US-Inflationserwartungen drehen leicht nach oben.

Gold gehört in jedes Depot

"Eben weil wir nicht mit Sicherheit sagen können, wie es mit dem Geldwert und der Stabilität des Finanzsystems weitergeht, bleibt Gold zur Risikodiversifikation in jedem Wertpapierdepot unentbehrlich", betont Hellmuth. Der erfahrene Vermögensverwalter rechnet für den weiteren Jahresverlauf mit einem weiter anziehenden Unzenpreis: "Im Herbst wird Gold meist teurer, und das dürfte auch dieses Jahr der Fall sein."

Auch Stöferle rechnet mit einer "positiven Saisonalität" in den nächsten Monaten. Darüber hinaus erwartet er, dass die Risiken im Finanzsystem im Herbst wieder in den Blick geraten: "Ein hochgehebeltes Finanzsystem und üppig bewertete Weltbörsen: Das spricht dafür, dass es bald holprig werden könnte." Ein Unzenpreis von 1500 Dollar ist aus seiner Sicht realistisch.

Pröttel, der von der Finanzagentur Bloomberg als einer der akkuratesten Goldprognostiker der Welt ausgezeichnet wurde, ist etwas skeptischer: "Am wahrscheinlichsten erscheint uns eine Seitwärtsbewegung im Bereich von 1200 bis 1300 Dollar", lautet sein Verdikt. Mittelfristig werde die Attraktivität von Gold angesichts der weltweiten Probleme im Wirtschafts- und Finanzsystem zwar wieder zunehmen. Kurzfristig werde die starke Produktion der Minen den Preis aber unten halten. Die Bergwerke produzieren auf Teufel komm raus, um mit höheren Verkäufen die gesunkenen Edelmetall-Preise auszugleichen. Auf Dauer können sie das aber nicht durchhalten.

So oder so hat das "langweilige" Auf und Ab am Goldmarkt einen Vorteil: Wer mit kommendem Ungemach rechnet, kann sich jetzt noch mal billig mit der Krisenwährung eindecken.

Daniel Eckert ist Finanzredakteur der Zeitung "Die Welt". Darüber hinaus ist er Autor des Wirtschaftsbestsellers "Weltkrieg der Währungen" (2010).

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