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Gold erlebt seinen größten Preissprung seit 1983

Im vergangenen Jahr war Gold der große Verlierer, die Rallye schien vorbei. Doch plötzlich greifen Investoren wieder zu. Ist das eine neuerliche Wende oder nur ein Aufzucken vor dem nächsten Absturz?

Jetzt hat China einen weiteren globalen Spitzenplatz eingenommen: beim Erwerb von Gold. 1066 Tonnen an Goldprodukten kauften Chinesen im vergangenen Jahr nach Angaben des World Gold Council, einer Organisation der Goldindustrie. Sie überholten damit erstmals die Inder, die traditionell die Top-Goldkäufer waren.

Und passend zu dieser Nachricht steigt der Preis des Edelmetalls seit einigen Wochen wieder rasant. Gold legte sogar den besten Jahresstart seit 1983 hin. Um fast zehn Prozent ist der Preis seit dem Jahreswechsel gestiegen, derzeit kostet die Feinunze rund 1320 Dollar. Kommen die Chinesen also mal wieder genau zum richtigen Zeitpunkt?

"Der Goldpreis erlebte einen sehr guten Februar, wesentlich besser, als wir das erwartet hatten", gibt Jon H. Bergtheil, Goldexperte bei der Citigroup, zu. Denn noch vor wenigen Wochen hatten die meisten einen Abgesang auf Gold angestimmt, nachdem das Edelmetall 2013 rund 25 Prozent an Wert verloren hatte.

Hohe Nachfrage aus China treibt den Goldpreis

Als einen wesentlichen Grund für die Trendwende sieht Bergtheil eben jene starke Nachfrage aus China. Sie wirke sehr positiv und werde sich auch nicht so schnell umkehren. Er sieht daher jetzt zumindest eine 50-prozentige Chance, dass der Goldpreis seinen Tiefpunkt durchschritten hat.

Und auch andere überdenken ihre Strategie. Barbara Lambrecht von der Commerzbank beobachtet, dass die kurzfristig orientierten Anleger wieder verstärkt auf steigende Preise setzen. Die Zahl der Wetten auf sinkende Kurse ist dagegen deutlich zurückgegangen.

"Zudem zeichnet sich ein Ende der 2013 stark preisbelastenden ETF-Abflüsse ab", sagt Lambrecht. Im vergangenen Jahr waren allein rund 865 Tonnen Gold aus entsprechenden Fonds abgeflossen, die mit physischem Gold besichert sind. In den vergangenen Tagen hat nun beispielsweise der weltgrößte dieser Fonds, der SPDR, erstmals seit Langem wieder 7,5 Tonnen Gold hinzugekauft.

Steht der Goldpreis vor einer erneuten Rallye?

Ist also nun der Abwärtstrend gestoppt? Folgt eine neuerliche Rallye beim Goldpreis? "Wesentliche fundamentale Gründe für den Preisanstieg liegen eigentlich nicht vor", warnt Thorsten Prettel, Investmentanalyst bei der Landesbank Baden-Württemberg, vor allzu großer Euphorie. "Es scheint, als machten die Preise die Nachrichten und nicht umgekehrt."

Denn nach wie vor scheint die Gefahr einer Systemschmelze weitgehend gebannt. Genau deshalb konnten 2013 all die Krisen den Goldpreis nicht nach oben treiben, weder die Wahlen in Italien, die Bankenpleiten in Zypern oder die wochenlange Schließung großer Teile der Verwaltung in den USA. Im Gegenteil, von Krise zu Krise sank der Goldpreis weiter.

Gleichzeitig hatte die US-Notenbank im Mai angekündigt, die Geldflut mittelfristig eindämmen zu wollen. Dies hat bereits zu deutlich höheren Zinsen in den USA geführt. Dadurch wird die Anlage in Gold zunehmend unattraktiv. Denn Gold bringt keine Zinsen. Das ist kein Problem, solange die Zinsen am Markt nahe null sind. Steigen sie jedoch, dann verliert man mit Gold stetig Geld, es sei denn, der Goldpreis steigt entsprechend.

Analyst: Fundamentale Gründe sind zweitrangig

Daran glaubten zuletzt aber viele nicht mehr, weil der Preis im Vergleich mit anderen Kennziffern schon recht hoch erscheint. Er hat sich seit dem Jahr 2000 vervierfacht, gleichzeitig hat sich die Geldmenge in den USA jedoch nur verdoppelt. Ein ähnliches Bild ergibt sich, wenn man die Entwicklung von Aktien mit jener des Goldpreises vergleicht.

Und schließlich sind viele Schwellenländer derzeit in der Krise – das sind aber genau jene Länder, in denen die Konsumenten zuletzt besonders viel Gold kauften. Wenn es dort wirtschaftlich nicht mehr so gut läuft, könnten viele daher dort gezwungen sein, ihr Gold wieder zu verkaufen oder sich zumindest bei Neuanlagen zurückzuhalten.

Doch letztlich sind all diese fundamentalen Gründe, die für oder gegen einen weitern Goldpreisanstieg sprechen, ohnehin zweitrangig. Zumindest die kurzfristige Preisentwicklung ist für Citygroup-Analys Bergtheil viel stärker von etwas ganz anderem bestimmt: Emotionen. Allen, die das nicht glauben, rät er, sich einfach mal ein langfristiges Schaubild mit der Preisentwicklung anzusehen.

Goldpreis wird auch durch Emotionen gesteuert

Auffällig ist dabei eine lange Phase etwa von Anfang 2008 bis Ende 2009, in der der Goldpreis knapp unter 1000 Dollar stand und fast zwei Jahre lang eine Pause beim Aufwärtstrend einlegte. "Ich würde bezweifeln, dass dies etwas mit fundamentalen Daten zu tun hatte", sagt er.

Vielmehr dürfte es an der Magie der Marke von 1000 Dollar gelegen haben. Erst als diese schließlich überwunden war, ging es wieder rasant weiter nach oben. Das zeigt, dass solche charttechnischen Marken großen Einfluss haben. Und tatsächlich bemühen derzeit sehr viele Goldpreisbeobachter derartige Indikatoren.

200-Tage-Linie durchbrochen

So verweist John J. Hardy von der Saxo Bank darauf, dass Gold in den vergangenen Tagen die sogenannte 200-Tage-Linie durchbrochen hat, erstmals seit einem Jahr. Mithilfe dieser Linie, die im Prinzip dem Durchschnittswert aus den Kursen der letzten 200 Tage entspricht, lassen sich recht einfach Trends erkennen. Und wird die Linie nach oben durchbrochen, ist das ein klares Signal für einen Aufwärtstrend.

Gleichzeitig schauen Investoren derzeit vermehrt auf wichtige Kursmarken. So sieht Bergtheil bei 1420 eine wichtige Hürde. Sollte sie überwunden werden, würde ein weitergehender Preisanstieg seiner Meinung nach noch deutlich wahrscheinlicher.

Oder aber das Gegenteil tritt ein. "Sofern der Goldpreis in den Bereich der charttechnischen Zielzone von rund 1430 Dollar steigt, ist mit starkem Gegendruck zu rechnen", vermutet Thorsten Proettel. "Vermutlich würden viele Marktteilnehmer diese Chance zum günstigen Ausstieg nutzen."

Kaum eine Vorhersage beim Goldpreis möglich

Das ist eben das Problem mit emotional getriebenen Preisen: Eine Vorhersage lässt sich kaum treffen. Sicher scheint jedoch dass der Goldpreis immer wieder rasche Höhenflüge und tiefe Stürze erleben wird. "Anleger sollten sich bewusst sein, dass Gold historisch ein sehr schwankungsanfälliger Rohstoff ist", sagt Bergtheil.

Das erlebten Anleger auch und gerade Anfang der 80er-Jahre, als der Goldpreis zuletzt einen solch guten Jahresstart hingelegt hatte wie jetzt. Zwischen Anfang 1979 und März 1980 war der Preis der Feinunze von rund 200 auf 835 Dollar gestiegen, 27 Monate später, im Juni 1982, war er wieder auf 296 Dollar gefallen. Gold ist einfach nichts für schwache Nerven.

Frank Stocker ist Redakteur für Finanz- und Wirtschaftsthemen bei "Die Welt / Welt am Sonntag".

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