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Die umstrittene Abwertung

An den Devisenmärkten verliert der Euro an Wert. Während Frankreich und andere Länder begeistert sind, befürchten Ökonomen Schlimmes...

Ein Euro kostete am Freitagnachmittag im Handel unter Banken 1,2859 Dollar. Im Mai hatte ein Euro in der Spitze noch 1,3994 Dollar gekostet. Die lange erwartete Abwertung der Gemeinschaftswährung an den Devisenmärkten ist in Gang gekommen. Vertreter der Europäischen Zentralbank äußern offen ihre Befriedigung über diesen Prozess, denn von einer Verbilligung des Euro versprechen sie sich Impulse für den Außenhandel und damit für die lahmende Konjunktur in der Währungsunion.

Auch Frankreichs Staatspräsident François Hollande lobte am Donnerstag die jüngste Kursentwicklung und forderte sogar noch eine weitere Abwertung. Manche deutsche Ökonomen äußern sich dagegen kritisch. Sie sehen, wie Stefan Homburg, die EZB in einer verhängnisvollen Wechselkurspolitik gefangen, die nicht der deutschen Tradition entspreche. Oder sie fürchten, wie Clemens Fuest, Versuche anderer Zentralbanken, ihre Währungen auch zu schwächen, was einen Abwertungswettlauf zur Folge haben könnte. Damit befindet sich die Debatte auf einem aus der Sicht der Währungsgeschichte verminten Gelände.

Furcht vor Abwertungswettläufen

Die Furcht vor Abwertungswettläufen geht auf Erfahrungen aus der Zwischenkriegszeit zurück. Damals hatten sich viele Länder zunächst bemüht, das im späten 19. Jahrhundert entstandene System goldgedeckter Währungen („Goldstandard“) am Leben zu erhalten, in dem die Wechselkurse zwischen den Währungen gewöhnlich unverändert bleiben. Mit dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise um das Jahr 1930 entstanden allerdings für viele Länder Anreize, die Goldbindung ihrer Währung aufzugeben, um durch eine Abwertung ihre Exportgüter zu verbilligen und damit auf Kosten anderer Staaten Handelsvorteile zu erlangen. Daher hat man eine solche Strategie als „Ausplünderung deines Nachbarn“ bezeichnet.

Im Herbst 1931 traten Großbritannien und Länder, deren Währungen sich am Pfund orientierten, aus dem System der Goldwährung aus. Dem Austritt der Vereinigten Staaten im Jahr 1933 folgten weitere Länder. Die Folge waren regelrechte Abwertungswettläufe. Dem Gold verbunden blieben damals unter anderem Frankreich und Italien, und es gibt heute Ökonomen, die Parallelen ziehen zwischen dem damaligen Festhalten an einer hoch bewerteten Goldwährung und dem aktuellen Festhalten Frankreichs und Italiens am Euro. Heutige Forderungen nach einer Abwertung des Euro können daher nicht nur im Blick auf die aktuelle wirtschaftliche Schwäche dieser beiden Länder, sondern auch im Lichte der Erfahrungen aus den dreißiger Jahren gesehen werden.

Damals hatten wichtige Handelspartner Frankreichs und Italiens ihre Währungen verbilligt. Die beiden Länder hielten bis zum Sommer 1936 durch, ehe auch sie der Goldwährung Lebewohl sagten. Damals waren Deutschland und Österreich schon lange nicht mehr im Spiel: Sie hatten bereits im Jahre 1931 unter dem Eindruck der Wirtschafts- und Bankenkrise die freie Austauschbarkeit ihrer Währungen beschränkt. Damit waren sie offiziell noch der Goldwährung verhaftet, machten wegen ihrer Bewirtschaftung von Devisen in der Praxis aber nicht mehr mit.

Auch in der aktuellen Krise hat es Sorgen vor Abwertungswettläufen gegeben, aber tatsächlich ist die Entwicklung viel komplizierter gewesen. Die Lockerung der Geldpolitik in den Industrienationen nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers hat Geld aus den Vereinigten Staaten und Europa in die wegen ihres wirtschaftlichen Nachholpotentials von vielen Fachleuten gepriesenen Schwellenländer getrieben. Ihre Währungen werteten in Einzelfällen so stark auf, dass sich Regierungen aus Sorge um ihre Exportwirtschaft zu Kontrollen des Kapitalverkehrs veranlasst sahen. Betroffen war unter anderem Brasilien, dessen Präsidentin Dilma Rousseff im Jahr 2012 konstatierte, ihr Land befinde sich in einem „Währungskrieg“ mit dem Westen.

Nicht auf Einbahnstraßen

Aber Wechselkurse bewegen sich gewöhnlich nicht auf Einbahnstraßen. Die Stärke mancher Schwellenländerwährung fand im Mai 2013 ein plötzliches Ende, als der damalige Fed-Vorsitzende Ben Bernanke eine langsame Straffung der amerikanischen Geldpolitik in Aussicht stellte und an den Märkten die Solidität von Schwellenländern mit hohen Leistungsbilanzdefiziten in Frage gestellt wurde. Der Kurs des Pfund gegenüber dem Euro schwankte in den vergangenen Jahren deutlich. Die Beurteilung der jüngsten Abwertung des Euro gegenüber dem Dollar ist eine Frage der Perspektive.

Seitdem die EZB im Frühjahr bei einem Kurs von nahezu 1,40 Dollar ein deutliches Unbehagen äußerte, hat die europäische Währung um rund 8 Prozent abgewertet. Für einen Zeitraum von viereinhalb Monaten ist das viel. In einer langfristigen Betrachtung seit der Gründung des Euro zeigt sich aber, dass sein aktueller Kurs immer noch über seinem historischen Durchschnittskurs liegt. Und zieht man Schätzungen von Finanzmarktteilnehmern zurate, müsste ein – allerdings schwer eindeutig kalkulierbarer – ökonomisch angemessener Wechselkurs um 1,20 Dollar liegen. In diesem Falle wäre der jüngste Kursrückgang bisher als Korrektur einer Überbewertung des Euro zu verstehen.

Überraschend ist weniger die Abwertung des Euro, sondern sein vorhergegangener Höhenflug. Denn schon seit rund zwei Jahren hatten nicht zuletzt Hedgefonds auf einen schwächeren Euro gesetzt. Die übliche Begründung, die auch auf dem diesjährigen Weltwirtschaftsforum in Davos unter anderem von dem Verwaltungsratsvorsitzenden der UBS, Axel Weber, vorgetragen wurde, zielte auf wachsende Renditeabstände zwischen Kapitalanlagen auf beiden Seiten des Atlantiks: Da nach Ansicht der Finanzmärkte die amerikanische Zentralbank ihren Leitzins früher als die EZB erhöhen dürfte, müsste dies zu Umschichtungen von Kapitalanlagen in die Vereinigten Staaten führen. Davon würde am Devisenmarkt der Dollar profitieren. In der Vergangenheit haben viele Fonds mit Spekulationen gegen den Euro Geld verloren.

Nun aber ist die Abwertung des Euro in Gang gekommen, und viele Marktteilnehmer sind der Ansicht, dass sich auch angesichts de Schwäche der Wirtschaft im Euroraum die Abwertung des Euro fortsetzen wird. Die Analysten der amerikanischen Investmentbank Morgan Stanley sehen den Wechselkurs im zweiten Quartal 2015 bei 1,22 Dollar. Bei Goldman Sachs erwartet man einen mehrjährigen Abwertungsprozess, der zu einem Kurs nahe der Parität von einem Dollar für einen Euro führen kann. Denn nach dieser Analyse bräuchten die schwächeren Volkswirtschaften im Euroraum einen solchen Kurs, um ihre Exporte richtig in Schwung zu bringen.

Zuverlässige Prognosen von Wechselkursen sind nahezu unmöglich. Der Ökonom Ken Rogoff hat einmal gesagt, er gelte als Währungsexperte, weil er wisse, dass Wechselkurse nicht vorhersehbar seien. Gleichwohl spricht ein Argument gegen eine ungebremste Abwertung des Euro. Es stammt von dem deutschen Ökonomen Rüdiger Dornbusch und besagt, dass in einer Welt, in der sich Preise für Finanzanlagen jederzeit ändern können, andererseits Preise für Güter oft kurzfristig kaum schwanken, Wechselkursbewegungen zu vorübergehenden Übertreibungen neigen. Dornbusch sprach von einem „Überschießen“, das sich im Laufe der Zeit korrigiere.

„Das führt zu der These, dass die Abschwächung des Euro nicht unbedingt so weit gehen muss, wie manche Banken es prognostizieren“ sagt Christian Odendahl, Chefökonom am Center for European Reform in London. Ohne die Annahme, dass sich der Euro wieder aufwerte, sei auch nicht erklärbar, warum Anleger in Europa Geld anlegten, wenn in den Vereinigten Staaten höhere Zinsen lockten. „Das Beispiel Japan zeigt deutlich, dass niedrige Zinsen und niedrige Inflation einen langfristigen Aufwertungsdruck ausüben“, bemerkt Odendahl mit Blick auf frühere Erfahrungen in Japan.. Damit könnten die Hoffnungen der EZB auf einen billigeren Euro trügen.

Gerald Braunberger ist verantwortlicher Redakteur für den Finanzmarkt der "Frankfurter Allgemeine Zeitung".

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