Gold News

Die Goldgräber des 21. Jahrhunderts

Goldsucher kommen heute nicht mehr mit einer Schaufel oder einem kleinen Sieb. Ein Besuch beim Chef von Randgold, dem viertgrößten Goldproduzenten der Welt. Von Claudia Bröll von der FAZ.

Es ist ein gewaltiger Absturz: Gold kostet heute ein gutes Drittel weniger als im September 2011. Mark Bristow aber sieht den Boden noch lange nicht erreicht. „Die Goldblase wird platzen. Das ist sicher“, sagt der Chef von Randgold Resources im Gespräch mit dieser Zeitung in Kapstadt. Ob der Preis auf ein Niveau sinkt wie vor zehn Jahren, als Gold für 400 Dollar je Feinunze zu haben gewesen ist, will er nicht vorhersagen. „Aber es wird weiter bergab gehen, und wir werden riesige Umwälzungen sehen. Die Goldbranche wird sich neu erfinden müssen.“

Der Südafrikaner sollte es wissen. Er kennt das Minengeschäft seit 30 Jahren. An der Marktkapitalisierung gemessen, ist Randgold heute der viertgrößte Goldschürfer der Welt. Zum Börsengang 1997 war die in London notierte Minengesellschaft 200 Millionen Pfund wert, heute sind es 4,7 Milliarden Pfund (6,3 Milliarden Euro). Andere Goldförderer in Afrika hat das Unternehmen an der Börse in den vergangenen zehn Jahren regelmäßig übertrumpft. Dabei betreibt es nur eine Handvoll Minen, und diese liegen in einigen der unwirtlichsten Ecken auf dem afrikanischen Kontinent: in Mali, der Demokratischen Republik Kongo, im Senegal und an der Elfenbeinküste.

Bristow ist wegen der Rohstoffmesse Mining Indaba nach Kapstadt gekommen. Am Vormittag sitzt der 55 Jahre alte Unternehmenslenker mit Vertretern von Banken, Minenverbänden und der Weltbank auf dem Podium im großen Messesaal, nachmittags empfängt er im Halbstunden-Takt Investoren, Analysten und Journalisten. „Er ist wie eine Maschine, die läuft und läuft“, hatte seine Pressesprecherin erzählt.

Der Randgold-Chef ist eine Art Goldgräber des 21. Jahrhunderts. Einer, der sich dorthin wagt, wo andere noch nicht gewesen sind. Der sich von nichts schrecken lässt: weder von einem Absturz des Goldpreises noch von Bürgerkriegen, Putschen, Terroristen, Epidemien. Fondsmanager wurden vor vier Jahren etwas nervös, als Bristow im Senegal kopfüber von seinem Motorrad stürzte. Er war mit seinen Söhnen von Kapstadt nach Kairo unterwegs, überlebte nur dank eines Nackenschutzes. Ein paar Monate später plante er schon den nächsten halsbrecherischen Ausflug.

Südafrika war einst der wichtigste Goldlieferant der Welt. Vor mehr als 100 Jahren kamen Abenteurer aus aller Welt dorthin, auf der Suche nach Gold und dem großen Glück. Doch diese Tage liegen lange zurück. Heute ist das Land nur noch der fünftgrößte Produzent auf der Welt, hinter China, Australien, den Vereinigten Staaten und Russland. Die Bergwerke sind in die Jahre gekommen, die Förderer müssen immer tiefer graben. Aus südafrikanischen Minen kommt nur noch halb so viel Gold zu Tage wie in den frühen neunziger Jahren. Bristow reist deswegen nur zur Indaba in seine alte Heimat. Andere Minenkonzerne mögen seine Standorte als Dauerkrisenherde betrachten und als extrem schwierige Destinationen für eine moderne Minenindustrie. Er sieht es als Herausforderung. „Wir haben mit Explorationen dort angefangen. Man läuft durch den Busch, bohrt Löcher in den Boden und ist überwältigt“, schwärmt der promovierte Geologe.

Seine Karriere begann Ende der achtziger Jahre in der Minenindustrie. Zuvor hatte er in der südafrikanischen Armee in Namibia gekämpft. Mit der Freilassung Nelson Mandelas und der Rückkehr Südafrikas in die Weltgemeinschaft einige Jahre später taten sich ungeahnte Möglichkeiten auf. „Südafrikaner waren zuvor überall geächtet. Wir konnten noch nicht mal reisen, schon gar nicht auf dem afrikanischen Kontinent.“

In Südafrikas Goldbranche aber waren zu der Zeit nicht alle so positiv gestimmt. Viele Bergwerke hatten das Ende ihrer Lebensdauer erreicht. Auch aus Sorge vor dem politischen Wandel gliederten Konzerne die Goldsparten aus. Neue, kleinere Unternehmen entstanden. Eines davon war sein erster Arbeitgeber Randgold & Exploration. „Kaum jemand hatte damals eine Vision. Es ging vor allem darum, die alten Ladys abzuwickeln.“ Die mehrheitlich im anglophonen Sprachraum beheimateten Konzerne gruben am liebsten in den ehemaligen britischen Kolonien. Bristow indes war mehrere Male im frankophonen Westafrika gewesen. Er kannte die geologischen Gegebenheiten dort genau.

Doch was er vorfand, war ernüchternd. Nach der Unabhängigkeit der einstigen Kolonien wurden viele Bergwerke nicht mehr betrieben, der Schaden war immens. Doch das hielt ihn nicht ab. Genauso wenig wie ihn die Reaktion des damaligen malischen Präsidenten einschüchterte: „Er erklärte mich für verrückt und sagte, hier gebe es doch nur Sand und Kamele.“ Heute ist Mali der drittgrößte Goldexporteur in Afrika nach Südafrika und Ghana.

Der Heißsporn von der Südspitze des Kontinents machte Analysen und überzeugte die Randgold-Führung, eine Start-up-Gesellschaft für Westafrika zu gründen. Auf einer Roadshow trieb er zehn Millionen Dollar Startkapital auf, übernahm eine Mine in Mali zu extrem günstigen Konditionen, weil sie der damalige Betreiber loswerden wollte. Dann kam die Entdeckung einer mittlerweile berühmten Lagerstätte ebenfalls in Mali: sechs Millionen Unzen Gold. Die Mine bekam den Spitznamen „Morila, der Gorilla“. „Und der Rest ist Geschichte“, fasst er zusammen.

Dass Bristow auf der Messe unermüdlich empfängt und redet, hat nicht nur mit Kontaktpflege zu tun. Er ist auf einer Mission. Er will den Investoren aus aller Welt beweisen, dass man in Afrika „Weltklasse-Unternehmen“ aufbauen kann. „Kein anderer Goldförderer hat für seine Aktionäre so viel Geld verdient wie wir“, sagt er so unverblümt großspurig, dass es schon wieder sympathisch ist. Umgekehrt gilt es, sich afrikanische Politiker gewogen zu halten, sie immer wieder auf die Bedürfnisse der Minenbranche hinzuweisen: eine bessere Infrastruktur, Rechtssicherheit, wenig Bürokratie, niedrige Abgaben. Als er einen Tag zuvor die Unternehmenspräsentation abhält, sitzt der Bergbauminister von Mali in der ersten Reihe. „Afrika muss nur endlich damit aufhören, andere Leute und die Kolonialzeit für alles verantwortlich zu machen. Dieser Kontinent steht am Anfang, ein richtiges Powerhaus zu werden - wenn nur jeder früh aufstehen und Meetings nicht mit Arbeit verwechseln würde“, sagt er lachend. Die weitverbreitete Sicht, dass man ohne Bestechungen in Afrika nicht vorankomme, wischt er mit einer schnellen Handbewegung beiseite. „Das ist Unsinn. Wir bestechen nicht, wir haben nie bestochen.“ Gute Beziehungen zu den Regierenden ließen sich auch ohne Geldkoffer herstellen. „Man muss ganz oben anfangen. Wenn man sich mit dem Präsidenten einig ist, dass Korruption inakzeptabel ist, kann man dies auch allen Ebenen unter dem Präsidenten klarmachen.“

Bristow ist offenkundig ein Mann der Prinzipien. Dazu gehört, dass er grundsätzlich lieber selbst anfängt zu buddeln, als Bergwerke von anderen zu übernehmen. Während andere auf anderen Kontinenten expandieren, gräbt Randgold ausschließlich in Afrika. Je nach Land gehören 10 bis 20 Prozent der Gruben dem Staat. In der Führung der Bergwerkskomplexe sitzen sowohl Vertreter der Regierung wie der Gewerkschaften. Die Gunst seiner Gastgeber sichert er sich auch dadurch, dass er nur einheimische Mitarbeiter beschäftigt - von den Kumpeln im Schacht bis zu den Managern. Letzteres hat sich auch während der jüngsten schweren Krise, der Ebola-Epidemie, als Vorteil erwiesen. „Bei uns haben keine Entsandten die Flucht ergriffen, wir hatten nämlich gar keine.“

Randgold mag in London notiert sein. Bristow aber gehört nicht zu denjenigen, die aus der Ferne ein Unternehmen führen. Er lebe in den Minen oder im Flugzeug, kokettiert er auf die Frage nach seinem Wohnort. Manchmal befinde er sich auch im Busch auf Großwildjagd oder auf dem Motorrad irgendwo in Afrika. Ein Büro? Überflüssig. Satellitenempfänger und Laptop reichten, um immer und überall erreichbar zu sein.

Die aktuelle Lage an den Rohstoffmärkten treibt freilich auch ihn um - nicht nur, weil er sich neben einigen anderen Unternehmungen auch im Öl- und Gasgeschäft engagiert. Dennoch nervt es ihn, dass sich alle über die fallenden Preise beklagen. Denn im Falle von Gold sei seine Konkurrenz selbst schuld an ihrer misslichen Lage. Die meisten Förderer hätten über die Jahre hinweg eine hohe Schuldenlast aufgebaut, teils höher als der Marktwert an der Börse. Um die Gläubiger zu bedienen, müssen sie bei einem sinkenden Goldpreis die Produktion steigern - koste es, was es wolle. „Alle haben nur eine Hoffnung: dass der Goldpreis wieder steigt. Aber tatsächlich tun sie alles, um genau das zu verhindern. Es ist absurd.“

Die Stimmung erinnere ihn an die Zeit, in der er angefangen habe. „Keiner schaut in die Zukunft, jeder versucht, irgendwie zu überleben, alle verschließen die Augen vor der Realität.“ Und wie damals sei dies der perfekte Zeitpunkt, um Geschäfte zu machen. Randgold ist schuldenfrei, hat die Kasse gut gefüllt, verfügt nach seinen Angaben über die Daten von allen bekannten Goldlagerstätten auf der Welt. Doch nur 15 kämen grundsätzlich für eine Übernahme in Betracht. Selbst wenn der Goldpreis langfristig auf 1000 Dollar sinke, solle noch eine stattliche Rendite möglich sein: ein weiteres Prinzip, an dem Bristow nicht rüttelt.

Andere in seiner Situation würden nach so vielen Jahren an der Spitze eines Unternehmens über einen Rückzug nachdenken, vielleicht in den Aufsichtsrat wechseln. Doch der Entdecker von „Morila dem Gorilla“ hat noch viel vor. Er will Randgold für die Zukunft rüsten, wenn er längst nicht mehr mit von der Partie ist. Denn die Reserven seiner Bergwerke gehen langsam zur Neige. Selbst der Gorilla wird bald geschlossen und nur noch Teil der Minengeschichte sein. Sein Traum? „Eine große Transaktion oder Entdeckung. 10 Millionen Unzen Gold oder so“, schwärmt er zum Abschied: „Das wäre das perfekte Ende meiner Karriere.“

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) ist eine überregionale deutsche Tageszeitung.

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