Dem Schnee die Schuld an der Konjunkturverlangsamung geben
Das schlechte Wetter liefert eine willkommene Ausrede für die Trendwende der US-Konjunkturdaten…
Schon den ganzen Winter über schippe ich Schnee, schreibt Miguel Perez-Santalla von BullionVault. Und genauso tun dies alle anderen, die wie ich an der amerikanischen Ostküste wohnen.
Ich habe einen großen Vorrat an Salz gekauft, um damit das Eis zu schmelzen. Viele Menschen benötigten neue Pflüge und Schaufeln. Einige meiner Nachbarn besorgten sich sogar neue Schneefräsen und Benzin dafür. All diese Anschaffungen sollten eigentlich der Wirtschaft einen Auftrieb geben. Zudem entstehen durch den Schnee zahlreiche zusätzlichen Jobs.
Landschaftsgärtner müssen den Schnee räumen sowie umgefallene Bäume und Äste entsorgen. Bei Unwetter gibt es mehr körperliche Arbeit. Und diese Arbeiter gehen dann nach Hause und geben von dort Geld aus. Internet-Shopping boomt in solchen Phasen, und auch sämtliche Arten des Medienkonsums steigen. So läuft der Verkauf und Verleih von Videospielen und Filmen auf Hochtouren. Und auch der Einzelhandel sowie der Servicesektor profitieren, da sich die Leute auf das drohende Unwetter vorbereiten und sich entsprechend mit Waren eindecken.
Aber was sagen die jüngsten Zahlen? Diese fallen entgegen aller Erwartung niedriger als erwartet aus. Obwohl keine Veränderung erwartet wurde, sind die Verkäufe im Einzelhandel um 0,4% gefallen. Und auch die Beschäftigtenzahlen sind deutlich niedriger als angenommen. Bei den Beschäftigtenzahlen außerhalb der Landwirtschaft wurde im Januar mit einem Zuwachs von 185.000 gerechnet, in Wirklichkeit waren es dann aber lediglich 113.000.
Auf der anderen Seite berichtet die Regierung, dass die Arbeitslosenrate leicht auf 6,6% gefallen ist.
Ich schreibe hier nicht über Politik. Vielmehr geht es darum, wie die Zahlen interpretiert werden. Seit Monaten kündigen die US-Notenbank, Regierungsvertreter und die amerikanischen Medien ein Wirtschaftswachstum mit einem positiven BIP-Wachstum und sinkenden Arbeitslosenzahlen an.
Allerdings liegt das Problem nicht in den realen Zahlen, die präsentiert werden, sondern vielmehr darin, wie diese interpretiert werden. Die US-Arbeitslosenzahlen repräsentieren diejenigen, die tatsächlich auf Arbeitssuche sind. Diejenigen, die bereits die Suche nach Arbeit zu einem angemessenen Gehalt aufgegeben haben, sind in dieser Statistik nicht mehr enthalten. Diese werden unter dem Fluktuationsabgang berücksichtigt. Von daher haben wir derzeit in den USA innerhalb der Bevölkerung im erwerbstätigen Alter die geringste Zahl an Arbeitssuchenden seit 1978.
Die Beschäftigtenrate wurde zuletzt mit 62,8% angegeben. Aber dennoch wurde von einem BIP-Wachstum in Höhe von 3,2% berichtet, was sehr gut klingt. Doch während die Zahlen den Anschein eines gesunden, positiven Wachstums vermitteln, wird beim näheren Hinblick deutlich, dass hierbei etwas nicht stimmt.
Eigene Bestandsaufnahmen der Unternehmen waren hoch, was bedeutet, dass viele Güter zwar produziert, aber noch nicht verkauft wurden. Nach einer entsprechenden Diskontierung beträgt die Wachstumsrate schon nur noch 2,8%, also schon etwas weniger zu prahlen.
Wenn man sich einmal von den Hauptergebnissen abwendet, erkennt man ebenfalls, dass die US-Wirtschaft nicht so stark wächst, wie man gerne glauben möchte. Ich befürchte, dass diese in Wirklichkeit sogar stagniert. Im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung gibt es weniger Menschen, die derzeit Arbeit haben. Und diese müssen auch noch die erwerbslosen Familienangehörigen unterstützen. In den Medien wird davon gesprochen, dass die „Baby Boomers“ aus dem Berufsleben austreten. Aber in Realität müssen viele weiterarbeiten. Außerdem hat die jüngere Generation, die sogenannten „Millennials“, Schwierigkeiten, Stellen zu finden.
Und selbst wenn sie Arbeit finden, werden sie häufig nicht angemessen bezahlt, vor allem nicht, wenn man ihre Aufwendungen im Falle eines Hochschulstudiums in Betracht zieht. Oftmals erhalten sie auch keinerlei Gesundheitsleistungen.
Dies erklärt andere, weniger erfreuliche Statistiken in letzter Zeit. Denn diejenigen, die eine Anstellung haben, haben höhere Ausgaben und mehr Angehörige, die auf sie angewiesen sind. Von daher sind heutzutage viele Menschen dazu genötigt, über ihre Verhältnisse hinaus zu leben, was sich in der Zunahme der ungesicherten Verbraucherkredite widerspiegelt. Dies bedeutet ferner, dass weniger zur freien Verfügung stehenden Mittel für Dienstleistungen und zum Kauf von Waren bereitstehen.
Nun gut, möglicherweise kurbeln die Nachrichten zum anhaltenden Wachstum in China auch die US-Wirtschaft an. Doch, wie gesagt, verschleiern die Daten, die in den Schlagzeilen der Zeitungen zu finden sind, eher die wirkliche Situation. Ich halte es für unabdingbar, dass Chinas Kredit- und Investitionsblase kurz vor dem Platzen steht.
Es steht außer Frage, dass sich viele institutionelle Investoren dieser Tatsachen bewusst sind. Im letzten Jahr haben beispielsweise zahlreiche finanzkräftige Anleger den Preissturz beim Gold ausgenutzt und fangen nun an, wieder mehr Edelmetall in ihre Portfolios aufzunehmen. Auch bei den Zentralbanken sieht es so aus, als ob sie auch weiterhin ihre physischen Goldreserven aufstocken werden. Es ist sogar so, dass viele Experten davon ausgehen, dass die Chinesische Volksbank heimlich mehr Gold gekauft und sie diese Bestände lediglich der restlichen Welt vorenthalten hat.
Was auch immer der Fall ist, so ist Gold in der Lage, seine Stellung als einzig zuverlässige alternative Währung zu behaupten. So haben die jüngsten Turbulenzen in den Schwellenländern ein starkes Signal hinsichtlich der Anfälligkeit der Devisenmärkte gesandt. Sowohl die Märkte in Südafrika als auch in Indien und der Türkei wurden einst bewundert, werden jetzt allerdings von einigen nahezu geächtet. Nach 43 Jahren seit Einführung unseres Fiat-Währungssystems kann man noch nicht sagen, ob auch die neueren finanzpolitischen Experimente der Federal Reserve und der Europäischen Zentralbank mit all ihren Machenschaften und vermeintlichen Optimierungen als Erfolge verbucht werden können.
Unterdessen treibt an der Ostküste der Vereinigten Staaten weiterhin „Frau Holle“ ihr Unwesen, was all den sprechenden Köpfen in den Medien eine willkommene Ausrede bietet, die Schuld der schwachen Wirtschaft dem Wetter in die Schuhe zu schieben. Doch man sollte hinterfragen, ob die zugrundeliegenden Fakten nicht eine andere Geschichte erzählen.
Artikel übersetzt und bearbeitet von Steffen Grosshauser.