Auf der Suche nach der verlorenen Gleichheit
„Armutskrise treibt 1 Million Menschen zu Lebensmittelbanken“, lautet eine Schlagzeile der kostenlosen Londoner Zeitung Metro.
„Ihr Haus ‚verdient‘ vermutlich mehr als Sie selbst“, lautet eine andere.
Kurz gesagt, die Ungleichheit bei der Vermögensverteilung nimmt zu. Der Besitz ist besser als der Verdienst. Allein im letzten Jahr stieg der Preis für ein durchschnittliches Londoner Wohnhaus um rund 63.000 GBP.
Das ist nicht wirklich etwas Neues. Aber es zeigt, welch seltsame Vorstellungen zur Problemlösung manche Leute haben, und das unter anderem wegen eines weiteren dicken Buches.
„Capital in the 21st Century“ heißt dieses Werk und wurde vom französischen Ökonom Thomas Piketty verfasst. Dieser schreibt, dass die Reichen immer reicher werden. Und der Grund hierfür ist, dass die Kapitalerträge größer sind als das Wirtschaftswachstum.
Falls Sie bereits ein großes Anlagevermögen besitzen, wird Ihr Anteil am Kuchen noch größer ausfallen. Aber falls nicht… Es ist so, als ob es das 20. Jahrhundert niemals gegeben hätte. Denn während heutzutage viele Rentner mehr schlecht als recht mit ihren bescheidenen Ersparnissen über die Runden kommen, äffen die superreichen Oligarchen von heute mehr den Raubrittern und Aristokraten von vor 100 Jahren nach.
„Wir sind wieder in der Zeit Prousts“, stand in der Rezension des Buches in der französischen Zeitung Le Monde. Aber vertrauen Sie nicht auf die Inspirationen, die Proust beim Essen des französischen Kleingebäcks Madeleine gehabt haben soll. (Er widmete ihm sogar einige Seiten in seinem Werk Auf der Suche nach der verlorenen Zeit.) Stattdessen empfiehlt Piketty, sozusagen lieber die Reichen zu essen. Gleichzeitig behauptet er aber auch, Sozialisten und Kommunisten nicht ausstehen zu können.
Piketty fordert extreme Steuern für extrem Reiche. Sagen wir für diejenigen mit mehr als umgerechnet 1 Milliarde US-Dollar. Dies würde dann so aussehen wie die „konfiskatorische Besteuerung“, die Roosevelt im Amerika der 1930er Jahre erließ. Oder die 95% auf Kapitalerträge, die zahlreiche britische Rockstars in den 1970ern zu Steuerflüchtlingen machten.
Mit dem Unterschied, dass Pikettys Meinung nach diese Regelung weltweit umgesetzt werden sollte, so dass ihr die Reichen nirgendwo entkommen könnten. (In dieser Hinsicht klingt Piketty also doch etwas… ähm… kommunistisch.)
Nun, was hat Gold mit all dem zu tun? Laut der umfangreichen Datensammlung von Piketty fiel die Vermögensungleichheit auf das Niveau zurück, auf dem sie vor dem Ersten Weltkrieg stand. Diese Zeit damals markierte das Ende des klassischen Goldstandards. Des Weiteren geht aus seiner Analyse hervor, dass das Ungleichgewicht in den Jahren von 1970 bis 1980 zurückging, bevor es danach wieder zunahm. Und zu dieser Zeit wurde weltweit die offizielle Goldbindung der Währungen aufgehoben.
Seit rund 40 Jahren ist die Kreditschöpfung nun uneingeschränkt. Am stärksten stieg sie, als in den 1990er Jahren die Zentralbanken des wohlhabenden Westens ihre Goldreserven verkauften. Und unterdessen ist die Ungleichheit auf ein vormodernes Niveau angestiegen.
Jedoch bleiben Goldanlagen bei Pikettys Betrachtung außen vor. Ebenso wird es weder von seinen Fans noch seinen Kritikern erwähnt, zumindest nicht in der hiesigen Presse.
Falls Ihnen die globale Vermögenssteuer Kopfzerbrechen bereitet, könnte Sie Pikettys Buch über den Verteilungskampf im 21. Jahrhundert interessieren. Führungskräfte können bereits eine „Executive“ Zusammenfassung (kein Scherz!) kaufen.
Oder lesen Sie einfach kostenlos das Wesentliche auf Pikettys englischsprachiger Webseite.
Artikel übersetzt und bearbeitet von Steffen Grosshauser.